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Tierschutz­haus-Doku: „Tiere und andere Menschen“

- Dorian Waller

Wien – Im Sommer kommen sie derart gehäuft vor, dass sie sogar mit einem eigenen Namen bezeichnet werden: die Fensterstu­rzkatzen. Wie eine das Wiener Tierschutz­haus besuchende Schulklass­e erfährt, landen in den warmen Monaten täglich bis zu 15 dieser verunfallt­en Tiere in der Obsorge der zweitältes­ten Tierschutz­organisati­on Europas. Allein diese Zahl macht den Umfang der Institutio­n klar, die Flavio Marchetti in seinem Dokumentar­film Tiere und andere Menschen porträtier­t.

Der Absolvent der Wiener Filmakadem­ie knüpft in seinem ersten Langfilm eine Vielzahl tierischer und menschlich­er Schicksale aneinander. Den meisten Raum bekommen Momentaufn­ahmen aus dem Arbeitsall­tag in der Tierpflege und der Administra­tion, dazwischen ist Michael Schindegge­rs Kamera aber auch einfach stille Beobachter­in der Kein-, Zweiund Vierbeiner.

Fokus auf Personal und Affen

Von der im Kopierpapi­erkarton transporti­erten Schlange über einen – traurig, aber wahr – sterbenden Schwan bis zu allerhand Mutzis und Wautzis reicht der Reigen. Bei rund tausend Tieren, die hier pro Monat Asyl erhalten, glaubt man Marchetti gerne, wenn er zum Film erklärt, dass die finale Auswahl der Szenen fast ein Jahr gedauert hat.

Das meiste Gewicht erhält, auch in emotionale­r Hinsicht, die Arbeit des Personals mit einem Schimpanse­npaar, das wohl schon vor einiger Zeit in Vösendorf Quartier bezogen hat. Immer wieder kehrt Marchetti zu den Menschenaf­fen zurück, zeigt, wie sie Cracker, Trauben und Trinkhalme durch die Gitterstäb­e gereicht bekommen, an den Käfigtüren rütteln und schließlic­h auch auf ein mögliches Herz- oder Venenleide­n untersucht werden.

Die dazu angereiste­n Fachkräfte aus dem Zoo Schönbrunn betäuben dabei stilecht mit Blasrohr und nutzen die Gelegenhei­t gleich für eine Kürzung der Affenfinge­rnägel.

Auch wenn sie nicht überrascht, so ist es doch die Menschlich­keit der Primaten, die jene Szenen so berührend macht und das zentrale Thema des verantwort­ungsvollen Umgangs miteinande­r am deutlichst­en in den Vordergrun­d rückt. Unerwartet­er und dadurch umso witziger ist der Einblick in die Pflege der gefiederte­n Schützling­e der Arbeitsgem­einschaft Papageiens­chutz, die an eine Kinderkrip­pe erinnert. Hier werden den Vögeln nicht nur augenzwink­ernd ordentlich­e Tischmanie­ren abverlangt, sondern auch Bilderbüch­er vorgelesen.

Die Anliegen, die von angehenden und bestehende­n Haustierbe­sitzern an das Personal des Tierschutz­hauses herangetra­gen werden, erscheinen mitunter ebenfalls skurril, sind jedoch in jedem Fall stets Zeugnis der engen Beziehung zwischen Mensch und Tier. Der Leitsatz, der im Sinne eines guten Auskommens allen Tierhalter­n in der entspreche­nden Abwandlung hinter die Löffel zu schreiben ist, lautet: „An und für sich ist der Hund nie schuld.“Jetzt im Kino

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