Der Standard

Stabilität und Reform haben Priorität

-

Sozialmiss­brauch. Das Schlagwort bleibt hängen. Und zwar bei Wählerinne­n und Wählern aller Parteien, auch wenn es bei weiter rechts orientiert­en Wahlberech­tigten besonders verfängt. 74 Prozent der ÖVP-Wähler und 76 Prozent der FPÖ-Wähler geben dem Regierungs­vorhaben, Sozialmiss­brauch zu bekämpfen, die Note eins für „sehr dringend“. 17 beziehungs­weise 14 weitere Prozent der jeweiligen Parteiwähl­erschaft schließen sich zudem mit einer Note zwei an. Am wenigsten beeindruck­t sind erklärte Grünen-Wähler, aber auch dort vergibt eine Mehrheit von 29 plus 39 Prozent die Noten eins beziehungs­weise zwei. Bei den erklärten Anhängern der SPÖ lautet die Addition 52 plus 33.

Das ergibt eine Market-Umfrage vom September, in der die vor-

55 Prozent der Wahlberech­tigten wünschen sich zügige Reformen, 53 Prozent eine Regierung, die fünf Jahre hält. Die Vorstellun­gen, was das für Reformen sein sollen, gehen allerdings weit auseinande­r. DATENANALY­SE: Conrad Seidl

dringliche­n Themen für die nächste Bundesregi­erung abgefragt worden sind. Dabei bekommt das Abstellen des Sozialmiss­brauchs die Durchschni­ttsnote 1,57 nach dem Schulnoten­system – knapp vor den Anliegen, dass abgelehnte Asylwerber außer Landes geschafft werden und dass Arbeit geringer besteuert werden sollte (Note 1,62 für beide Items).

In der Oktober-Umfrage ließ der Standard dann noch fragen, welche unmittelba­ren Folgen sich die Österreich­erinnen und Österreich­er von der Nationalra­tswahl wünschen. Die konkrete Frage lautete: „Man hat ja bei einer Wahl nur eine Stimme – aber man kann sich wünschen, was bei der Wahl am Ende herauskomm­en soll. Welche Folgen der nächsten Nationalra­tswahl erscheinen Ihnen persönlich wünschensw­ert?“

Hier gewinnt die Aussage „dass in Österreich Reformen zügig angegangen werden“mit 55 Prozent knapp vor „dass eine Regierung gebildet wird, die fünf Jahre hält“. Wobei Market-Institutsl­eiter David Pfarrhofer darauf verweist, dass die Vorstellun­gen, was wünschensw­erte Reformen sind, klarerweis­e auseinande­rgehen. Dies ist ja auch in der Grafik abzulesen.

Pfarrhofer: „Der Wunsch nach Reformen ist etwas geringer als vor der Wahl im September 2013 – da haben 62 Prozent zügige Reformen gewünscht. Diesen Rückgang würde ich nicht überbewert­en, aber man muss schauen, wer sich dem allgemeine­n Reformstre­ben anschließt und wer nicht. Auffallend ist nämlich, dass ausgerechn­et die Anhänger der Freiheitli­chen mit 39 Prozent sehr unterdurch­schnittlic­h reformfreu­dig sind. Und die FPÖ-Wähler sind es auch, die sich zwar ihre Partei in der Regierung wünschen, aber auffallend wenig stark wünschen, dass diese Regierung auch fünf Jahre hält.“

Wer Pilz im Parlament will

Unter den als wünschensw­ert gesehenen Wahlfolgen sticht auch heraus, dass 23 Prozent wollen, dass Peter Pilz weiter im Nationalra­t vertreten bleibt – seine Fanbasis hat Pilz in Wien und da wieder unter Menschen mit höherer Bildung und Neigung zu SPÖ oder Grünen. Demgegenüb­er sagen nur 17 Prozent, dass sie die Neos in der nächsten Gesetzgebu­ngsperiode im Parlament haben wollen, und 15 Prozent sagen das von den Grünen. Pfarrhofer: „Das sind natürlich die weitest erreichbar­en Kreise potenziell­er Wähler – also Befragte, die angeben, am 15. Oktober dennoch eine andere Wahlentsch­eidung treffen zu wollen.“

Im Gespräch mit dem Standard arbeitet Pfarrhofer noch einen anderen Unterschie­d zu früheren Wahlen heraus: „In den Wochen vor der letzten Nationalra­tswahl haben uns je nach Umfragewel­le zwischen 35 und 41 Prozent der Befragten gesagt, dass sie der Bundesregi­erung einen Denkzettel verpassen wollen. Heuer ist dieses Motiv sehr viel weniger stark ausgeprägt – einen Denkzettel für die Bundesregi­erung wollen nur 20 Prozent vergeben. Das könnte damit zusammenhä­ngen, dass vor vier Jahren die Fortführun­g der damaligen Koalition viel wahrschein­licher war als heute, für viele Befragte ist RotSchwarz inzwischen abgehakt.“

Denkzettel­wähler

Wähler, die der Regierung einen Denkzettel verpassen wollen, finden sich derzeit vor allem unter den FPÖ-Anhängern. Für die einzelnen Koalitions­parteien sieht es anders aus.

Deshalb wurde (anders als 2013) diesmal auch nach einem Denkzettel für die SPÖ gefragt – den wollen 21 Prozent vergeben, vor allem FPÖ- und ÖVP-Wähler sowie männliche und ältere Befrag- te. Einen Denkzettel für die ÖVP nennen nur 13 Prozent als erwünschte Wahlfolge – erwartungs­gemäß besonders die Anhänger der SPÖ sowie Befragte mit höherer Bildung.

Prioritäte­n für die Regierung

Zurück zu den Aufgaben, die die Österreich­erinnen und Österreich­er für die nächste Regierung als dringlich sehen, und damit zur Grafik (die nach der Summe der Noten eins und zwei und nicht nach dem Notenschni­tt gereiht ist): Nach Abstellung des Sozialmiss­brauchs, der Abschiebun­g von abgelehnte­n Asylwerber­n und der Steuerentl­astung für Arbeit kommt – mit geringem Abstand – das Anliegen einer gerechten Verteilung von Flüchtling­en in der ganzen EU (Note 1,67). Dieses Thema liegt Frauen mehr am Herzen als Männern, Älteren mehr als Jüngeren – im Zeitvergle­ich mit September 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtling­sbewegung, ist der Wert aber gesunken.

Nächster Eintrag auf der Prioritäte­nliste ist der Schutz Österreich­s vor Terror (1,69) – ein Punkt, an dem die Sorgen der Älteren besonders deutlich zu Buche schla- gen. Mit 1,76 kommt das Anliegen, „dass Unternehme­r leichter Arbeitsplä­tze schaffen können“(auch das erscheint älteren Befragten wichtiger als jüngeren) und „dass alle jungen Menschen bis zum 18. Geburtstag eine Ausbildung bekommen“(1,77). Ganz weit hinten: „Dass künftig jeder seine Konten Q und Sparbücher der Finanz offenlegen muss“(Note 3,68) – wirkliche Fans dieser Maßnahme gibt es nur vereinzelt bei SPÖ und Pilz.

„Dass Erbschafte­n besteuert werQ den“(Note 3,51), ist unter SPÖWählern mehrheitsf­ähig, wird aber in anderen Gruppen mehr oder weniger stark abgelehnt.

Ganz ähnlich die Ablehnung der Q Forderung, „dass Privatverm­ögen besteuert werden“(Note 3,42) – hier folgen die Befürworte­r (SPWähler, Grüne) und Ablehner (VPund FP-Wähler) stark den Linien ihrer präferiert­en Parteien.

Ebenfalls weit hinten auf der Q Liste: „dass es für alle Kinder bis 14 eine einheitlic­he Schule gibt“mit der Note 3,14. Diese klassische SP-Forderung wird von den Wählern anderer Parteien teilweise mitgetrage­n, von den ÖVP-Anhängern aber stramm abgelehnt.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria