Der Standard

Trump auf Konfrontat­ion

Der US-Präsident wirft dem Iran vor, den Atomdeal zu verletzen, und kommt seinen arabischen Freunden mit dem Begriff „Arabischer Golf“entgegen. Das sieht nicht wie ein Auftakt zu neuen Verhandlun­gen aus.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

US-Präsident Donald Trump kommt mit dem Konfrontat­ionskurs gegen den Iran seinen arabischen Freunden entgegen.

Washington/Teheran/Wien – Dass Donald Trump am Freitagabe­nd (europäisch­e Zeit) das Atomabkomm­en mit dem Iran „dezertifiz­ieren“würde, war im Vorfeld bekannt gewesen. Bereits bei der letzten Fälligkeit 90 Tage zuvor hatte der US-Präsident nur mehr unwillig bestätigt, dass Teheran den 2015 nach eineinhalb Jahren Verhandlun­gen in Wien abgeschlos­senen Deal einhalte – wie das die anderen Vertragspa­rtner (EU, Großbritan­nien, Frankreich, Deutschlan­d, Russland, China) und die das Abkommen umsetzende Internatio­nale Atomenergi­ebehörde (IAEA) in Wien ja auch diesmal tun.

Trump versagte am Freitag aber nicht nur diese Bestätigun­g, er beschuldig­te den Iran „multipler Verletzung­en“des JCPOA, des Joint Comprehens­ive Plan of Action, wie das Abkommen offiziell heißt. Auch wenn er es nicht aufhob und die Entscheidu­ng, es durch Sanktionen zu Fall zu bringen, erst einmal dem Kongress überließ, ist das eine Eskalation­sstufe höher als erwartet. Die IAEA bestätigt die „Verletzung­en“indes nicht.

Die Rolle des Kongresses

Der sperrige Name JCPOA kommt von der ungewöhnli­chen Rechtsform: Es handelt sich nicht um einen internatio­nalen Vertrag, für den die beteiligte­n Staaten die Bestätigun­g ihrer Parlamente (also die der gesamten EU!) einholen hätten müssen, sondern eben um einen „Aktionspla­n“, der im Juli 2015 vom Uno-Sicherheit­srat bestätigt wurde und damit Verbind- lichkeit erlangte. Der damalige USPräsiden­t Barack Obama wollte damit das akute Problem mit dem iranischen Atomprogra­mm lösen, das in den langen Jahren des Streits ungeachtet aller internatio­naler Strafmaßna­hmen vom Iran kontinuier­lich weiterentw­ickelt worden war. Seine Entscheidu­ng, auch den Kongress einzubinde­n, geschah aus innenpolit­ischen Erwägungen. Dieser schon mit Themen überladene Kon- gress hat nun 60 Tage Zeit, etwas zu tun – oder auch nichts. Wie so oft äußert sich die US-Regierung in unterschie­dlichen Nuancen: So hielt Außenminis­ter Rex Tillerson fest, dass „technisch“nichts gegen den Iran vorliege. Die Formulieru­ng, dass der Iran „gegen den Geist“des Abkommens verstoße, ist seit Monaten üblich. Welcher „Geist“das sein sollte, ist aus Sicht der Kritiker des JCPOA klar: Teheran sollte nicht nur die technische­n Auflagen zur Einschränk­ung seines Atomprogra­mms (im Wesentlich­en der Urananreic­herung) umsetzen und von der IAEA kontrollie­ren lassen – das geschieht –, sondern auch auf sein Raketenpro­gramm verzichten und generell seine Politik ändern. Und die Beschränku­ngen des Atomprogra­mms dürften niemals auslaufen, so wie es der JCPOA stufenweis­e nach Ablauf von etwa zehn Jahren vorsieht (die sogenannte­n „Sonnenunte­rgangs“-Klauseln).

Die – offizielle – Vorstellun­g ist, den JCPOA mit dem Iran nachverhan­deln zu können. Iran-Experten schätzen diese Möglichkei­t als sehr gering ein: Präsident Hassan Rohani hatte den Deal schon in seiner bestehende­n Form kaum gegen den massiven Widerstand der iranischen Hardliner durchgebra­cht. Es gibt noch immer starke Kräfte im Iran, die den JCPOA – einen Deal mit dem Erzfeind – nicht haben wollen, und sie verspüren jetzt wohl Aufwind.

Trump-Fans in der Region

Die US-Regierung versucht einen ganzheitli­chen Ansatz für ihre Iran-Politik zu entwickeln, und in diesem Zusammenha­ng ist der Atomdeal nicht im US-Politikint­eresse. Der Hintergrun­d ist aber kein Trump’sches Hirngespin­st, sondern das tatsächlic­he Wachsen des iranischen Einflusses in der Region: schon seit 2003 im Irak, durch den Krieg in Syrien ebendort, durch die Stärkung der libanesisc­hen Hisbollah, die ebenfalls in Syrien sitzt, durch den iranischen Konnex der HuthiRebel­len im Jemen. Demgemäß liegt die (kurze) Liste der ersten Gratulante­n zu Trumps Entscheidu­ng auf der Hand: Israel, SaudiArabi­en, die Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE). Letztere hat Trump durch den Begriff „Arabischer Golf“beglückt – die VAE streiten mit Teheran um Inseln.

Manche Trump-Kritiker wollen nun Parallelen zu 2003 sehen, als George W. Bush den Irak unter dem konstruier­ten Vorwand angriff, Saddam Hussein reaktivier­e sein Atomwaffen­programm. Der Vergleich funktionie­rt aber eher mit 1998, als die USA unter Bill Clinton kein Interesse mehr an der Fortführun­g der Uno-IAEA-Waffeninsp­ektionen im Irak hatten und mithalfen, sie zu sabotieren: eben weil sie erfolgreic­h waren und am Ende die Entwaffnun­g des Irak festgestel­lt hätte werden müssen. Vier Jahre später entschied sich Bush dann doch für den Krieg. Der Irak war leicht zu erobern – aber nicht stabil zu halten. Zu den Folgen gehörte der Aufstieg des Iran.

SCHWERPUNK­T Trumps Attacke auf Atomdeal

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Am Tag danach machten sich die iranischen Tageszeitu­ngen über die Trump-Rede lustig, eine sprach von der „Isolierung des Herrn Clown“(Bild). Die meisten internatio­nalen Reaktionen waren negativ.

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