Spitzenkandidaten bestimmten die Wahl
Die Meinungsforschung hat seit Monaten das Ergebnis vom Sonntag wahrscheinlich erscheinen lassen – und mehrere Institute haben zum Wahltag auch die Motive der Wähler durchleuchtet und die Struktur der Parteiwählerschaften demoskopisch erhoben.
Spontan gefragt: Warum haben Sie am Sonntag gewählt, wie Sie gewählt haben? Für die Wähler der ÖVP war das ganz eindeutig: 54 Prozent von ihnen nannten in einer Umfrage von Peter Hajek Opinion Strategies für den Sender ATV Sebastian Kurz als wichtigste Einflussgröße. Bei den SPÖ-Wählern war Christian Kern mit 28 Prozent nur das zweitstärkste Wahlmotiv hinter dem Wahlprogramm beziehungsweise den Standpunkten (31 Prozent).
Fragt man konkreter nach – was Hajek bei 1200 Befragten getan hat –, nennen 59 Prozent der ÖVPWähler, 55 Prozent der SPÖ-Wähler, 53 Prozent der Pilz-Wähler und 41 Prozent der FPÖ-Wähler den jeweiligen Spitzenkandidaten als „sehr wichtiges“Motiv bei ihrer Wahlentscheidung.
Spontan nannten aber nur 16 Prozent der Freiheitlichen HeinzChristian Strache als Wahlmotiv. Da war das Topwahlmotiv, dass der FPÖ „die besten Lösungen in der Asylpolitik“zugetraut werden (26 Prozent). Das zweitstärkste Argument bei den Freiheitlichen ist wie den Wählern der ÖVP, dass es Zeit für Veränderungen wäre. Ebenfalls sowohl bei den blauen als auch den türkisen Wählern an dritter Stelle liegt die Aussage, dass die jeweilige Partei das beste Programm und die besten Standpunkte hätte – mit 17 beziehungsweise 18 Prozent wird dieses Motiv aber wesentlich weniger genannt als bei den SPÖ-Wählern.
Bei den Grün-Wählern sowie denen der Neos waren die Inhalte ebenfalls das stärkste Wahlmotiv, bei den Pilz-Wählern war wiederum die Person des Spitzenkandidaten der wichtigste Punkt.
Hajek erhob auch, ob die Silberstein-Affäre für die Wahlentscheidung relevant war – das wurde mehrheitlich abgelehnt, von den Wählerschaften der Parteien aber in unterschiedlichem Ausmaß. Unter den ÖVP- und Grün-Wählern wurde der rote Skandal immerhin von jedem Elften als starker Einfluss auf die Wahlentscheidung (also gegen die SPÖ) angegeben.
Rote Kampagne gestört
Für den Wahlforscher Hajek stellt sich dennoch die Frage, wie das Wahlergebnis ohne Silberstein-Affäre aussehen würde: „Nicht, weil der Einfluss auf die Wähler so groß gewesen wäre, sondern weil die Kampagne der SPÖ massiv gestört wurde und das Wahlkampf-Team zerbröselte.“
Das Institut Sora, das für den ORF ebenfalls eine Wahltagsbefragung durchgeführt hat, kommt zu ähnlichen Ergebnissen bezüglich der Hauptmotive der Wähler, analysierte sie aber zusätzlich mit einer anderen Fragestellung („Haben Sie im Wahlkampf über folgende Themen sehr, ziemlich, wenig oder gar nicht diskutiert?“)
Damit kommen sie zu dem Ergebnis, dass Sozialleistungen für die Wähler der SPÖ mit 57 Prozent die meistdiskutierte Frage waren. Für die FPÖ-Wähler waren Sozialleistungen mit 60 Prozent sogar noch bedeutender – aber die Freiheitlichen haben über Asyl und Integration (88 Prozent) und Sicherheit (69) mehr diskutiert.
Für ÖVP-Wähler stand das Asylthema mit 55 Prozent an erster, für SPÖ-Wähler mit 48 Prozent an zweiter Stelle.
Koalitionspräferenzen
Bleibt die Frage, welche Koalition nun von den Wählern gewünscht wird. Dieses Thema hat Sora den Wählern vorgelegt und folgende Antworten bekommen:
Schwarz-Blau wollen 31 Prozent der Wähler – wobei die Wähler der ÖVP mit 54 Prozent mit absoluter Mehrheit zu den Blauen als Koalitionspartner tendieren und die Wähler der FPÖ sogar mit 65 Prozent zu den Türkisen.
SPÖ-FPÖ wünschen sich 15 Prozent – von den SPÖ-Wählern jeder Vierte, von den FPÖ-Wählern jeder Sechste.
ÖVP-SPÖ, also die bisherige große Koalition mit einem ÖVP-Bundeskanzler kommt nur auf elf Prozent. Unter den Wählern der Sozialdemokraten ist das mit 32 Prozent die beliebteste Koalitionsvariante, von den Wählern der ÖVP ist die Gegenliebe mit 17 Prozent allerdings weitaus geringer.
Was die Wahl übrigens gezeigt hat: Die Meinungsforscher haben ziemlich übereinstimmend das Wahlergebnis korrekt getroffen, alle Parteien liegen ganz deutlich innerhalb der bei den Umfragen angegebenen statistischen Schwankungsbreiten.