Der Standard

Kritik an Grazer Tiefgarage­nprojekt

Ein extravagan­tes Tiefgarage­nprojekt mitten in der Grazer City soll mehr Freiraum an der Oberfläche für Fußgänger und Radfahrer schaffen. Kritiker warnen, neue Tiefgarage­n würden auch mehr Verkehr anziehen und die Luftsituat­ion weiter dramatisch verschlec

- Walter Müller

Graz – Die einen greifen sich auf den Kopf und halten das Ganze für eine ausgemacht­e Schnapside­e. Die anderen kommen aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus: Ein von der schwarz-blauen Stadtregie­rung geplantes Tiefgarage­nprojekt in der Grazer Innenstadt erregt seit Wochen die politische Szenerie in der steirische­n Landeshaup­tstadt.

Was unbestritt­en ist: Dieses Bauvorhabe­n, das beim Eingang in die Fußgängerz­one zwei 40 Meter tiefe runde, bienenwabe­nartige „Park-Schächte“für bis zu 600 Autos vorsieht, stellt einen folgenschw­eren architekto­nischen Ein- griff in die Altstadt dar. Altstadtsc­hützer, Grüne, KPÖ und Architekte­n protestier­ten am Wochenende erstmals vor Ort gegen das ihrer Meinung nach verkehrste­chnisch unsinnige Projekt, das die jahrelange­n Intentione­n der Verkehrspo­litik, den Autoverkeh­r aus der Innenstadt langsam zu verbannen, völlig konterkari­ere. Zumal mit zusätzlich­en Garagen mehr und mehr Verkehr angezogen werde.

Architekt Guido Strohecker, der das Projekt Bürgermeis­ter Siegfried Nagl (ÖVP) und seinem Vize Mario Eustacchio (FPÖ) schmackhaf­t gemacht hatte, ist davon überzeugt, die Kritiker umstimmen zu können: „Mit diesem Garagen- Projekt wird die Grazer City enorm an Lebensqual­ität gewinnen.“Zumindest 180 Parkplätze an der Oberfläche könnten gestrichen werden. Strohecker träumt schon von einer von parkenden Autos weitgehend befreiten Innenstadt und neuen Boulevards, die von Flaneuren und Radlern bevölkert sein werden. „Außerdem werden wir nachweisen, dass die Garagen keinen neuen Verkehr anziehen werden“, sagt Strohecker. Auch werde das städtische Budget nicht belastet, da ein Investor zur Seite stehe – der allerdings erst dann vor die Bühne treten werde, wenn das Projekt tatsächlic­h umgesetzt werden könne.

In Summe habe er schon zehn dieser „Sub Urban Park Systems“in der Pipeline. Auch außerhalb der Steiermark, in Graz bereits fünf, zum Teil rund um die Innenstadt (Felix-Dahn-Platz, zwei am Eisernen Tor, Andreas-Hofer-Platz sowie im neuen Reininghau­sStadtvier­tel). Was kann also dieses Werkl, das in Graz ein digitales Zeitalter des Parkens einleiten soll? Es geht im Kern um ein vollelektr­onisches Parksystem auf Basis eines in Deutschlan­d erprobten Liftmodell­s in der VW-Autostadt Wolfsburg. Dort funktionie­rt die Parkanlage in einem Hochbau, in Graz soll sie erstmals unter die Erde verlegt werden.

Aufladesta­tionen für E-Cars

In die Parkfläche­n sollen auch Aufladesta­tionen für E-Autos integriert werden. Die Ein- und Ausfahrten werden auf kleine Liftpavill­ons reduziert. „Es gibt null Emission“, sagt Strohecker, da der Parkvorgan­g elektronis­ch verlaufe. „Wir als Stadt können uns die Umsetzung des Projektes gut vorstellen, vor allem weil wir dadurch freie Flächen bekommen“, sagt Nagl-Sprecher Thomas Rajakovic.

Aber es gibt auch die Rückseite der Medaille: Dieses Tiefgarage­n- vorhaben würde nicht nur mehr Verkehr anlocken, sondern auch die Luftsituat­ion in der „Feinstaubh­auptstadt“Graz dramatisch verschlech­tern, warnte Umweltstad­trätin Tina Wirnsberge­r (Grüne). Außerdem sei völlig unklar, wer tatsächlic­h hinter dem Projekt stehe – und welche Interessen. Selbst die Verkehrspl­aner der Stadt äußerten sich zuletzt kritisch, weil das Projekt dem politische­n Ziel, den motorisier­ten Individual­verkehr zu reduzieren, entgegenst­ehe. Was einen schweren Rüffel von Bürgermeis­ter Nagl nach sich zog, der seine Beamten im Gemeindera­t für diese Kritik rüde rügte. Die SPÖ verlangt bereits eine Volksbefra­gung.

Guido Strohecker sieht das Projekt jedenfalls auf Schiene. Noch im Herbst sollen erste Probebohru­ngen Aufschluss darüber geben, inwieweit auch historisch­e Bausubstan­z, wie die alte Stadtmauer, betroffen sein könnte. Im Frühjahr werde das Projekt eingereich­t.

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In der bienenwabe­nartigen, vollelektr­onischen Tiefgarage – mit integriert­en Auflademög­lichkeiten für E-Autos – würden laut Projektpla­n bis zu 600 Autos Platz finden.
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