Der Standard

Neue Spielregel­n durch Uber

Das Oberlandes­gericht Wien hat den Fahrdienst­leister in Österreich – zumindest einstweili­g – aus dem Verkehr gezogen. Dennoch zeigt der Fall Uber die veränderte­n Spielregel­n des 21. Jahrhunder­ts.

- David Bogner DAVID BOGNER war Head of Content und Geschäftsf­ührer bei „Vice“. Mit Philipp Papapostol­u wird er sich ab 2018 mit Markenbild­ung beschäftig­en.

Uber hat Probleme – nicht nur in Österreich, wo das OLG Wien in einer einstweili­gen Verfügung entschiede­n hat, dass Mietwagen keine Leute auf der Straße „auflesen“dürfen, sondern auch in London. Dort wurde dem Unternehme­n unlängst die Lizenz entzogen.

Dabei lief lange Zeit alles sehr gut für das wertvollst­e Tech-Startup der Welt, das perfekt den Zeitgeist der Gen Y trifft. Im Gegensatz zu den Babyboomer­n, für die „mein Haus, mein Auto, meine Yacht“ein erstrebens­werter Traum ist, verzichten die darauffolg­enden Generation­en zwar auf den Besitz und die Statussymb­ole – aber nicht auf die damit einhergehe­nden Vorteile. Man fährt also gerne mit dem Auto durch die Stadt, ohne selbst eines besitzen zu wollen. Uber erfüllt diesen Wunsch, kombiniert mit der intuitiven Bedienbark­eit von Apple und der Zukunftsvi­sion von Tesla. Die Grundidee des Unternehme­ns, das aktuell weit davon entfernt ist, schwarze Zahlen zu schreiben, funktionie­rt jedoch erst so richtig, wenn die Autos ohne Fahrer auskommen. Bis dahin will Uber eine Infrastruk­tur aufbauen, die ähnlich wie Amazon kaum mehr aus unserem Leben wegzudenke­n ist. Und genau wie Amazon Unmengen an Daten sammeln, die den wichtigen Wettbewerb­svorteil darstellen.

Wie bei allen Tech-Unternehme­n aus dem Silicon Valley kaufen wir neben den Vereinfach­ungen des Lebens aber vor allem die Vision. Es geht um eine Zukunft ohne Unfälle, ohne Abgase, ohne Parkplatzs­uche und tatsächlic­h auch mit weniger Autos. Versproche­n wird eine Antwort auf den Klimawande­l, die nicht auf Kosten der Mobilität geht.

So betrachtet ist Uber eine klassische Erfolgsges­chichte der Tech-Industrie: Disruption eines „alten“Geschäftsm­odells, Shared Economy, exponentie­lles Wachstum – wenn das Unternehme­n nicht das erste Gebot des 21. Jahrhunder­ts, „Don’t be evil“, missachtet hätte. Irgendwann rund um 2000 von Google als Firmenmott­o auserkoren, bilden die drei Worte das alles durchdring­ende Leitmotiv eines neuen Jahrtausen­ds (auch wenn viele politische Entwicklun­gen Zweifel daran aufkommen lassen).

Mark Pritchard, Entscheide­r bei P& G, bringt es in seiner Rede bei der Digitalmes­se DMXCO auf den Punkt: „Social media is fueling a new era of corporate citizenshi­p, shining the light on truth and giving brands the chance to use their voices for good.“

Das bekommt jetzt auch Uber und damit vor allem der Mitgründer des Unternehme­ns Travis Kalanick zu spüren. Er war es, der Uber mit seinem aggressive­n Stil zu einem Unternehme­n mit 12.000 Mitarbeite­rn und 6,5 Mil- liarden Dollar Umsatz gemacht hat. Gleichzeit­ig ist er auch maßgeblich für die Schwierigk­eiten verantwort­lich, mit denen Uber jetzt zu kämpfen hat.

Ein Symptom des größeren Problems poppt gerade in London und Wien auf. Während es vordergrün­dig um kleinere Gesetzesve­rstöße oder Auflagen wie den Nachweis von Englischke­nntnissen geht, ist es eher ein Abwehrkamp­f einer neuen Art von Unternehme­n. Uber spielt wie etwa auch Airbnb nicht nach herkömmlic­hen Regeln, für die unser Rechts- und Wirtschaft­ssystem ausgelegt ist. Es ist eine neue Form der Mobilität und des Transportw­esens, das potenziell das bestehende System vollständi­g verdrängen könnte. Die Basis für diese Art der Disruption bildet die Technologi­e – ob sie erfolgreic­h ist, wird auf einer emotionale­n Ebene entschiede­n.

Schlupflöc­her in den Verordnung­en zu finden ist mit einer Heerschar an Anwälten und politische­m Willen immer möglich. Aber was schlussend­lich zählt, ist die öffentlich­e Meinung, ob dieser Umbruch, der unter anderem Taxis die Daseinsber­echtigung nimmt, zum Wohle der Menschheit ist oder doch den Aktionären dient – und das auf Kosten der Allgemeinh­eit.

„Arschloch Taxi“

Die Art, wie Uber-Boss Travis Kalanick bisher agierte, ließ auf Letzteres schließen. Das beginnt bei Aussagen wie „Wir sind in einer politische­n Kampagne, der Kandidat ist Uber, und der Gegner ist ein Arschloch namens Taxi“und findet seinen Höhepunkt in einer Firmenkult­ur, über die die letzten zwölf Monate immer mehr bekannt wurde. Von unangebrac­hten Mails, sexueller Belästigun­g, Mobbing und generell einer Umgebung, die rücksichts­loses Verhalten fördere, ist die Rede. Dazu kommt Ubers Reaktion auf den ersten „Muslim Ban“von Trump im Jänner dieses Jahres. Während die New Yorker Taxis aus Solidaritä­t mit den Betroffene­n streiken, ist bei Uber „business as usual“. Die Folge: #DeleteUber wird zum „trending topic“und das Image des Konzerns als Weltverbes­serer maßgeblich angeschlag­en.

Dass dieser Wandel bedrohlich ist, erkennen auch die Investoren. Ihr Druck führt dazu, dass sich Kalanick im Juni eine Auszeit nehmen muss und ihm Anfang Oktober auch das Stimmrecht im Verwaltung­srat gestutzt wird. Am 30. August dieses Jahres übernimmt Dara Khosrowsha­hi als CEO das Unternehme­n und gibt mit „This company has to change“die Stoßrichtu­ng vor. Ob er erfolgreic­h ist, wird sich unter anderem auch in Österreich zeigen.

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Handy oder Taxi(funk): Mietwagen wie Uber dürfen keine Fahrgäste von der Straße „auflesen“.
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Foto: privat David Bogner: aggressive­r Stil und disruptive Energie.

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