Von Kaninchen, Parasiten, Protesten und Preisen
Am Sonntag ging die Frankfurter Buchmesse mit der Friedenspreisverleihung an Margaret Atwood zu Ende
Mit der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an die kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood ist am Sonntag die 69. Frankfurter Buchmesse allmählich zu Ende gegangen. In der Paulskirche erhielt die 77-Jährige die prestigeträchtige Ehrung (25.000 Euro). Atwood ist die erst zehnte Frau, die den Preis seit 1950 bekommen hat.
Mehr als 50 Bücher zählt das Werk Atwoods, darunter Romane, Kurzgeschichten, Essays, Theaterstücke, Drehbücher. International bekannt wurde sie 1985 mit Der Report der Magd – einem dystopischen Roman über die Vereinigten Staaten unter dem politischen Einfluss der christlichen Rechten. Als Fernsehserie lebt The Handmaid’s Tale in den USA seit heuer wieder auf. Manche meinen, das Szenario erinnere an aktuelle Tendenzen unter Präsident Donald Trump.
Der Börsenverein lobte „Humanität, Gerechtigkeitsstreben und Toleranz“in Atwoods Arbeit, die Autorin habe immer wieder politisches Gespür und Hellhörigkeit für gefährliche unterschwellige Entwicklungen und Strömungen gezeigt. „Spekulative Fiktion“nennt Atwood, was sie schreibt.
In ihrer Dankesrede sagte sie, „Geschichten können das Denken und Fühlen der Menschen verändern – zum Besseren oder zum Schlechteren.“Dann erzählte sie von einem Wolf, der die Zivilgesellschaft abschafft, und von in Angst und Verwirrung erstarrten Kaninchen. Wir leben in einem „seltsamen historischen Augenblick“von „Bedrohung und Wut“. Angesichts sozialer Ungerechtigkeit und Klimakrise müsse jeder fragen: In welcher Welt will ich leben?
Autorin Eva Menasse meinte in ihrer Laudatio, Atwoods Werk zeige, „wie Literatur sein muss, um auch eine politische Wirkung zu entfalten. Es zeigt, wie politische und gesellschaftliche Analyse Eingang finden, ohne die Literatur zu verbiegen oder zu beschweren.“ Abschluss
Ein anderer Preis, nämlich der mit 5000 Euro dotierte Preis der Hotlist, der seit 2009 an eine Neuerscheinung aus einem unabhängigen Verlag vergeben wird, ging indes bereits am Freitagabend an Brigitta Falkners Strategien der Wirtsfindung (Matthes & Seitz). Die österreichische Autorin und bildende Künstlerin „erkundet darin in Texten und Bildern die wuchernde Welt der Parasiten und Schmarotzer und erweist sich dabei als ebenso kundige wie poetische Naturforscherin“, so die Begründung. Falk- ner steht mit dem Titel auch auf der Shortlist für den Österreichischen Buchpreis (Vergabe am 7. November). Auch auf der Hotlist gestanden hatte der im Klagenfurter Wieser-Verlag fünfbändig erschienene Roman Die Fahnen von Miroslav Krleža (1893–1981).
Nach dem Event ist davor
Seit Sonntagabend sind die Stände zurückgelassen. Die Plätze für das kommende Jahr sind indes schon fixiert, man müsse früh dran sein für gute, erklärt ein heimischer Verleger. Denn die großen Häuser würden sich immer weiter ausdehnen wollen. Kein Wunder, ist das Publikumswochenende doch eine einzige Verstopfung. Ebenso für 2018 fest steht Gastland Georgien.
Der von Anfang an umstrittene Stand des rechtsgerichteten Antaios-Verlags erlebte am Samstag noch einen Tumult, als AfDMann Björn Höcke bei der Präsentation des Buches Mit Linken leben von Demonstranten mit Protesten wie „Nazis raus“bedacht wurde.
Ist in Frankfurt das Buch auch wichtig, allein ist es nicht mehr genug, Kreativ- und Digitalwirtschaft haben Einzug gehalten. „Wir wissen nicht genau, wo wir sind. Wir wissen auch nicht mehr genau, wer wir sind“, sagte Atwood. Lohnend war in Frankfurt gerade auch ganz traditionell der Blick in manch Gedrucktes.
Mit 280.000 Besuchern zählte man insgesamt um 2.000 mehr als voriges Jahr, das Wochenende brachte 2,5 Prozent mehr Leser.