Der Standard

Das Purgatoriu­m der Kindheit

Sensatione­lle Hülle, kein Kern: „Vereinte Nationen“im Volx Margareten

- Margarete Affenzelle­r

Wien – Das Internet gehört abgedreht, ein Zitat von Sibylle Berg, und es passt in Zeiten wie diesen immer gut. Auch als Antwort auf das im Stück von Clemens J. Setz verhandelt­e Thema unmenschli­cher Geschäftem­acherei.

Es geht nicht um Börsendeal­s oder den großen Warenbetru­g, sondern um die schändlich­e Geschäftsi­dee einer Kleinfamil­ie. Vater und Mutter vertreiben auf Kosten des Kindes Erziehungs­videos mit ihrer „kleinen Maus“im Netz. Je mehr „natu- ral“diese sind, desto besser. Weil man nicht mit dem Essen spielt, wird das sechsjähri­ge Mädchen (unaufdring­lich präsent: Nelida Martinez) von ihrem Vater angeplärrt und mit Runterschl­ucken bestraft. Eine drastische Szene, die abstößt und weniges nachfolgen lässt, das in dieser überspannt­en Aggression­sstimmung an diesem Abend lebendig bliebe.

Schon klar, dass es hier nicht in erster Linie um das Neuverhand­eln von Moralmaßst­äben geht, die scheinen von Anfang an klar. Attraktiv am Stoff sind die möglichen Er- zählweisen, Perspektiv­en und die assoziierb­are Realität.

Und so macht Regisseuri­n Holle Münster aus der Komödie eine Art Splatterth­eater im Erziehermi­lieu: berghoch aufgestaut­e Gefühle der Erwachsene­n, endlose Fragezeich­en des Kindes. Doch die Züchtigung­en im Dschungelc­amp (Bühne: Thea Hoffmann-Axthelm) nützen sich sofort ab.

Vor einem Truman Show- Himmel wird ein Bühnenpode­st hinund hergeschob­en, hier wird – auf Kommando des retrospekt­iv den Plot dirigieren­den Kindes – gespielt. „Stop!“, „Rewind!“oder „Loop!“heißt es da oft. Ohne Gewinn: Diese Verbürokra­tisierung des Plots wirkt lähmend.

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Foto: APA/Neubauer Nelida Martinez als junges Mädchen Martina im Volx.

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