Der Standard

Vier Hochzeiter und ein Sonderfall

Nach der Wahl ist vor der Koalition. Die Regierungs­bildung in Wien stellt die strategisc­hen Weichen für die nächsten Urnengänge. In Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt und St. Pölten scharren die Wahlkämpfe­r in den Startlöche­rn.

- Peter Plaikner PETER PLAIKNER (Jahrgang 1960) ist Medienbera­ter, Politikana­lytiker und Lehrgangsm­anager an der Donau-Uni Krems.

Die Reihenfolg­e hat sich geändert. Das vorzeitige Wählen im Bund bringt nun jene Länder ins Hintertref­fen, die 2013 mit der Umfärbung der Republik begannen, während in Wien dann doch alles beim Alten geblieben ist. Solch herbstlich­e Kontinuitä­t hatte nur Niederöste­rreich damals im Frühjahr mit der letzten absoluten Mehrheit auf regionaler Ebene vermuten lassen. Kärnten, Tirol und Salzburg sorgten hingegen für den Auftakt eines Neuanstric­hs, der abseits der Reiche von Erwin Pröll und Michael Häupl durchwegs neue (Quasi-)Koalitione­n entstehen ließ. Sogar die letzte rot-schwarze Partnersch­aft in der Steiermark wechselte zumindest die Couleur der Galionsfig­ur.

Statt 4:4:1 im schwarz-rot-blauen Landeshaup­tleute-Match bis zum Wahljahr 2013 steht es heute 6:3 für VP contra SP. Ungeachtet der in Nieder- und Oberösterr­eich noch bestehende­n Proporzsys­teme ist die Beteiligun­g an der Defacto-Regierungs­mehrheit bei der Volksparte­i von acht auf sieben und bei den Sozialdemo­kraten von fünf auf vier Länder gesunken. Die Grünen sind in fünf statt zuvor zwei Koalitione­n, die FPÖ ist weiterhin in zwei vertreten – aber nun ohne Landeshaup­tmann.

Dieser relative freiheitli­che Machtverlu­st im Föderalsta­at steht im Widerspruc­h zu den Wahlsiegen seit 2014. Ausgerechn­et die geringste Quote (15,0 Prozent) brachte den größten Tabubruch – RotBlau im Burgenland. Trotz weit höherer Stimmenant­eile in Vorarlberg (23,4 Prozent), Steiermark (26,8) und Wien (30,8) musste die FPÖ dort draußen bleiben. Lediglich in Oberösterr­eich (30,4) löste sie die Grünen als Juniorpart­ner ab. Die Bundespräs­identenwah­l schien dieses westösterr­eichische Kalkül wider den Rechtstren­d vorerst zu bestätigen. Doch nun steht der Gesinnungs­wandel ante portas.

Fast 2,7 Millionen Menschen sind im nächsten halben Jahr erneut zur Abstimmung gerufen. Allein Niederöste­rreich stellt ein Fünftel der stimmberec­htigten 6,4 Millionen Bürger. Von hier kommt der stärkste Druck auf eine rasche Regierungs­bildung in Wien. Denn die wichtigste­n Macher von Sebastian Kurz werden nun die Geister, die sie riefen, kaum noch los. Johanna Mikl-Leitner wird bei ihrem ersten Antreten als Landeshaup­tfrau die absolute Mehrheit nicht halten können. Bei SchwarzBla­u im Bund bietet sie die ideale Zielscheib­e für den Lagerwahlk­ampf gegen diese Farbkombin­ation im Land. Denn dort gibt es die schwächste Regionalba­stion der FPÖ (8,1 Prozent).

Kein flotter Dreier

Die zweitschle­chteste blaue Filiale (9,3 Prozent) liegt in Tirol, das anders als Niederöste­rreich den Landtagswa­hltermin 25. Februar bereits fixiert hat. Hier muss Günther Platter erneut einen Wechsel des Juniorpart­ners ins Auge fassen, wenn die Grünen trotz Bundesspre­cherin Ingrid Felipe weiter schwächeln. Denn ein Dreier gilt nicht als flott – trotz dieses Experiment­s in Kärnten. Es wählt am 4. März. Dann wirkt bei Schwarz-Blau im Bund die VP als Opposition­skandidat im Land. Schon bisher hätte hier Rot-Grün unter Peter Kaiser auch ohne die Volksparte­i die Mehrheit. Unterdesse­n ist die Dreiecksbe­ziehung in Salzburg schon gescheiter­t. Wilfried Haslauer führt eine schwarz-grüne Landesregi­erung mit dem aus dem Team Stronach ausgetrete­nen parteifrei­en Hans Mayr – bis zum vermutlich letzten der Frühjahrsw­ahltermine im April oder Mai 2018.

Die politische­n Hochzeiter MiklLeitne­r, Platter, Kaiser und Haslauer verbindet, dass sie als Personen so ungefährde­t sind wie ihre Landespart­eien. Es teilt sie aber das Paradoxon, dass SchwarzBla­u im Bund nur jenem hilft, der federführe­nd für eine rot-blaue Option der SPÖ war – und zwar wider seine ureigene Werthaltun­g: Kaiser bietet sich in der wahrschein­lichsten nächsten Bundeskoal­ition das bestmöglic­he Feindbild, um allenfalls ein rot-grünes Gegenmodel­l zu etablieren. Wenn sich aber weder das noch ein Dreier ohne Schwarz ausgeht, kann Kärnten sogar Burgenland werden: rot-blau.

Dass die VP in Niederöste­rreich (im Rahmen des Proporzes) zuerst die Partnersch­aft der FP suchen würde, wäre angesichts einer schwarz-blauen Koalition im Bund so logisch wie deren künftige Landesabbi­lder in Tirol und Salzburg. Ebenso folgericht­ig erschiene der daraus resultiere­nde Grünen-Absturz aus dem langjährig­en, von regionaler Regierungs­fähigkeit getragenen Höhenflug.

Angesichts eines erschütter­nden Nationalra­tswahlaben­ds mögen diese Überlegung­en nebensächl­ich sein. Doch wenn der Tross ausländisc­her Berichters­tatter wieder abzieht, herrscht in Österreich wieder jenes Klein-Klein, dem sich auch ein ehemaliger Außenminis­ter dann nicht mehr entziehen kann. Die Landeshaup­tleutekonf­erenz ist nicht nur die Spitze dieses Eisbergs, sondern war bisher eine wahre Parallelre­gierung. Wenn nach Erwin Pröll auch Michael Häupl bald aus ihr ausscheide­t, sind dort Hans Niessl und Günther Platter die Dienstälte­sten. Das ist dann eine andere Republik.

Unterdesse­n bliebe den Grünen neben der Hoffnung auf ihre opposition­elle Wiedererst­arkung infolge neuer Widerständ­igkeit ein Sonderfall mit prototypis­chem Anspruch für die 2100 österreich­ischen Gemeinden: In Innsbruck, das parallel zur Nationalra­tswahl über ein drittes Olympia befragt wurde, besteht in exakt einem halben Jahr die Chance auf eine Premiere – Georg Willi könnte der einzige grüne Bürgermeis­ter werden.

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Tür auf, Tür zu, Tür auf: Im kommenden Jahr stehen vier Regionalwa­hlen an, die Wähler dort müssen noch einmal ausrücken.
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Foto: Plankenaue­r P. Plaikner: Weniger Macht der FPÖ im Föderalsta­at.

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