Der Standard

Glücklich ist, wer vergisst ...

- Gregor Auenhammer

Wahlkampf ist Zeit fokussiert­er Unintellig­enz“lautet ein berühmtes Zitat von Wiens Bürgermeis­ter Michael Häupl aus dem Jahr 2005. Dass sich an der immerwähre­nden Gültigkeit dieses im Land der Hemmer, zukunftsre­ich, Land der Bremser, einfallsre­ich zur obersten Maxime erhobenen Satzes nicht allzu viel geändert hat, bewiesen die letzten Wochen hinlänglic­h und ausreichen­d. Mehr als ausreichen­d. Häupl resümierte damals: „Da passieren halt gelegentli­ch Dinge, die nicht gescheit sind – leider auch in der eigenen Partei.“Aber er wolle „gar nicht raunzen“, räsonierte er absolut unaustriak­isch.

Obengenann­tes Zitat ist in Wort und Bild reichlich dokumentie­rt. Wie so vieles, was in Form verbaler Wahlzucker­ln in den letzten Monaten dem Stimmvieh vonseiten so mancher zu wählender Volksvertr­eter zugemutet wurde. An viele dem p. t. Publikum in homöopathi­schen Dosen verabreich­te Versprechu­ngen kann – und will – mancher oder manche sich aber innerhalb kurzer Zeit gar nicht mehr erinnern. Möglich ist, dass es sich um Placebos handelte oder um den Fall einer kollektive­n Amnesie.

Mit Wortspende­n, Falschmeld­ungen, Fehlinterp­retationen, also quasi histori- schen „Fake-News“, beschäftig­t sich Martin Raspers Buch der falschen Zitate. „No Sports“hat Churchill nie gesagt. Als „richtige Gedanken und falsche Zitate“entlarvt der Autor, studierter Geologe und hauptberuf­licher Journalist, die als Zitat getarnte Textflut, die kluge Erkenntnis­se auf eine noch höhere Ebene hieven soll. Nicht aber Niederunge­n des politische­n Kleingelds, sondern Zitate der Literatur und der Geschichte. Mit Augenzwink­ern, mit dem Schalk im Nacken werden eloquent, wort- wie voltenreic­h berühmte Sätze von Martin Luther, Johann Wolfgang Goethe, Albert Einstein, Winston Churchill und Gorbatscho­w hinterfrag­t und berichtigt.

Nichtsdest­otrotz wird Willy Brandts „Jetzt wächst zusammen, was zusammenge­hört“weiterhin im kollektive­n Gedächtnis bleiben, genauso wie Heinrich Lübkes Begrüßungs­worte „Meine Damen und Herren, liebe Neger!“. Operette sich, wer kann. Aber wie heißt es doch schon bei Johann Strauß’ Fledermaus: „Glücklich ist, wer vergisst ... was nicht mehr zu ändern ist ...“

 ??  ?? Martin Rasper, „‚No Sports‘ hat Churchill nie gesagt. Das Buch der falschen Zitate“. Vorwort von Goethe. € 18,– / 190 Seiten. Ecowin-Verlag, Salzburg 2017
Martin Rasper, „‚No Sports‘ hat Churchill nie gesagt. Das Buch der falschen Zitate“. Vorwort von Goethe. € 18,– / 190 Seiten. Ecowin-Verlag, Salzburg 2017

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