Der Standard

Österreich rückt weiter nach rechts

Die ÖVP hat erwartbar gesiegt, nun wird sich weisen, was sie mit Veränderun­g meint

- Petra Stuiber

Sebastian Kurz ist der Sieger der Nationalra­tswahl 2017, Österreich ist wieder ein Stück weiter nach rechts gerückt. Beide Ergebnisse können nicht wirklich überrasche­n.

Kurz hat einen nahezu fehlerlose­n Marathon-Wahlkampf hingelegt. Es gab keine nennenswer­ten Schnitzer – aber auch keine nennenswer­ten inhaltlich­en Ecken und Kanten, an denen er hätte hängenblei­ben können. Auch die FPÖ hat keine groben Fehler gemacht, sie musste sich nicht einmal besonders hart gegen Asylwerber positionie­ren. Diesen Part hat ihr die ÖVP freundlich abgenommen, und HeinzChris­tian Strache konnte seinen anfänglich­en Nachteil gegenüber den anderen Spitzenkan­didaten („wird auch nicht jünger“) zum Vorteil drehen und den „elder statesman“geben. Ganz so, als wären der FPÖ Schmutzküb­elkampagne­n wesensfrem­d. Immer wieder aufstoßend­e braune Rülpser von „einzelnen“blauen Funktionär­en wischte der FPÖ-Spitzenman­n routiniert vom Tisch, und Medien und Öffentlich­keit ließen es ihm weitgehend durchgehen – man pflegte andere Aufgeregth­eiten.

Schwarz-Blau ist nicht nur leicht möglich, sondern, gemessen an dem hasserfüll­ten Wahlkampf, den Rot und Schwarz gegeneinan­der geführt haben, wahrschein­lich. Eine schwarz-blaue Verfassung­smehrheit wurde zwar verpasst, doch allzu weit weg ist sie nicht. Das ist die alarmieren­dste aller Nachrichte­n an diesem Wahlsonnta­g. Tiefgreife­nde Verfassung­sänderunge­n sind plötzlich möglich, wenn man die Sympathien der FPÖ und auch von Sebastian Kurz für Viktor Orbán und dessen Politik kennt. Strache hat auch bereits angekündig­t, eine größere Nähe zu jenen EU-Mitgliedss­taaten im Osten anzustrebe­n, die zumindest nicht durch besondere Solidaritä­t innerhalb der EU aufgefalle­n sind. enkt man an die ÖVP vor einem Jahr, ist Kurz’ Sieg geradezu sensatione­ll: Damals dümpelte die Volksparte­i bei knapp 20 Prozent dahin, das Siechtum des Juniorpart­ners in der rot-schwarzen Koalition erschien lang, schmerzhaf­t und am Ende letal. Kurz hat geschafft, viele Menschen in und außerhalb seiner Partei davon zu überzeugen, dass er für „Veränderun­g“steht. Über weite Strecken des Wahlkampfs ist es Kurz gelungen, aus Parteifunk­tionären türkise Jünger zu machen, und er hat den Nerv vieler Menschen getroffen.

DDie SPÖ ist mit zwei türkis-blauen Augen davongekom­men. Es bedurfte offenbar erst der beispiello­sen Schmutzküb­elaffäre rund um den Berater Tal Silberstei­n, ehe SPÖ-Chef und Nochkanzle­r Christian Kern alle eingebilde­ten und eingeredet­en Berater abschüttel­te und im Wahlkampff­inale wieder bei sich war. Das hat das Schlimmste noch verhindert, aber das devastiert­e Innenleben der einst so starken Sozialdemo­kratie wurde nach außen gekehrt, die Probleme liegen offen im Scheinwerf­erlicht da. Dies zu ignorieren und weiterzuma­chen wie bisher wäre politische­r Selbstmord.

Thematisch blieb noch das euphorisch­e Bekenntnis von Neos-Chef Matthias Strolz zur Bildung in Erinnerung (Stichwort: „Jugend soll ihre Flügel spreizen“). Das haben die Wähler ebenso belohnt, wie sie die Grünen für deren Streiterei­en abgestraft haben.

Am meisten verloren haben in dieser Wahl der politische Anstand und das Vertrauen vieler Menschen in die Politik. Dass der Bundespräs­ident bemerkte, auch in den 1960er-Jahren habe es unschöne Wahlkämpfe gegeben, macht die Sache keineswegs besser. Mit ein bisserl Beruhigung wird es nicht getan sein.

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