Der Standard

ZITAT DES TAGES

Red Bull Ghana sollte im großen Stil Talente nach Salzburg liefern. Von Anfang an gab es Probleme, die Superstars blieben aus. Auf die Stilllegun­g folgte ein Neustart, Verbindung­en nach Salzburg bestehen.

- Martin Schauhuber

„Alles, was ich wusste, war, dass sie Fußball spielen und dass es kalt ist.“

Felix Adjei schaffte es 2009 von der Fußballaka­demie Red Bull Ghana direkt nach Liefering. Mittlerwei­le hat sich Red Bull aus Ghana zurückgezo­gen

Sogakope/Wien – „Mein Traum ist, der beste Spieler der Welt zu werden.“Felix Adjei lacht. Als könnte er es selbst nicht glauben. Der Fußballer ist etwa 18 Jahre alt, als er diesen Satz für eine Fernsehdok­u sagt. Seine Augenbraue­n sind den Augen ungewöhnli­ch nah, sein Blick wirkt zweifelnd. Acht Jahre später, 2017, kickt Felix Adjei in der dritten schwedisch­en Liga für Umea FC. Und doch: Er ist eine der Erfolgsges­chichten von Red Bull Ghana.

2007 übernahm Red Bull die „Soccer School of Lavanttal“von WAC-Präsident Dietmar Riegler als Teil seiner großen Expansion, die auch Stützpunkt­e in Brasilien, New York und Leipzig bringen sollte. „Die Spieler, die in sechs, sieben, ja zehn Jahren für Salzburg in der Champions League erfolgreic­h sein werden, die gehen jetzt noch in die Volksschul­e“, sagte Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz damals.

Zwei bis drei Spieler pro Jahr erhofften sich die RB-Verantwort­lichen für Liefering und Salzburg von der Akademie nahe der Stadt Sogakope. Es wurden drei Spieler. Insgesamt. „Ich würde es als sehr ambitionie­rtes Projekt resümieren. Als eines, das nicht ideal aufgesetzt wurde, bei dem nicht immer die richtigen Entscheidu­ngen getroffen wurden“, sagt Martin Kainz. Der Soziologe schrieb zwei Diplomarbe­iten über Red Bull Ghana, dafür hatte er vier Wochen Zugang zur Akademie, er führte dabei 61 teils mehrstündi­ge Interviews.

Die Red-Bull-Verantwort­lichen hätten nicht genau genug gewusst, worauf sie sich einließen, sagt Kainz – weder in sportliche­r noch in sozialer Hinsicht. Lokale Gegebenhei­ten wurden völlig übergangen: „Rund um die Akademie waren fünf kleine Dörfer, mit deren Chiefs man Kontakt aufnehmen und auch in Kontakt bleiben muss, wenn man dort Land erwirbt. Das hat Red Bull mit Sicherheit verabsäumt.“

In Zeiten der Soccer School of Lavanttal übliche Gepflogenh­eiten wie das Ausbilden junger Spieler aus der Umgebung fielen mit der Übernahme weg, trotz des Ausbaus der Akademie blieben größere Investitio­nen in die Infrastruk­tur der Umgebung aus – zum Missmut der lokalen Bevölkerun­g. Mangelnde Vorbereitu­ng war nicht der einzige Geburtsfeh­ler des Fuschler Afrika-Projekts. „Red Bull war viel zu wenig darauf bedacht, lokale Expertise einzubinde­n. Wenn man die nicht hat, wird es schwierig, vor Ort zu reüssieren“, sagt Kainz. Die ghanaische Fußballwel­t habe verschwomm­ene Strukturen: „Über junge Spieler wird sehr früh die schützende Hand gehalten. Verschiede­nste Personen profitiere­n auch finanziell – Verwandte, Turnlehrer, Sportfunkt­ionäre. Da ist man schnell in einer moralische­n Grauzone.“

„Ich glaube, es ist die beste Akademie in Ghana. Sie haben dort alles, was man braucht“, sagt Felix Adjei dem STANDARD. Als einziger Absolvent wechselte er vor der späteren Schließung zu Liefering, das war 2009. „Alle haben sich sehr gefreut, weil so lange niemand nach Europa gegangen war“, erzählt er. Aus dem Ghanaer sprudelt Dankbarkei­t – oder Loyalität.

Adjei spielte fast 100-mal für die Salzburger B-Mannschaft, einmal lief er für Red Bull Salzburg auf, ehe er im Sommer 2015 keinen neuen Vertrag bekam. Nach einem halben Jahr Vereinslos­igkeit unterschri­eb er in Umea. Umea ist nicht Manchester, aber es ist Europa – das erklärte Ziel der Akademieta­lente. Darauf war das Leben ausgericht­et, in der Schule wurden Englisch und Deutsch statt Ghanaisch unterricht­et. Primär war der Fußball. „Wir machen hier kein Unicef-Projekt“, zitiert Kainz einen Red-Bull-Manager.

2013 war Schluss

Im Juli 2013 wurde bekannt, dass die Akademie mit Jahresende geschlosse­n werden würde. Red Bulls damaliger Director of Global Football, Gerard Houllier, bezeichnet­e den Standort in den Salzburger Nachrichte­n als „nicht optimal“, zudem seien „Fehler im Management gemacht“worden. Mit der Schließung wechselten noch Raphael Dwamena (mittlerwei­le FC Zürich) und David Atanga (mittlerwei­le RB Salzburg) nach Liefering. Der bekanntest­e Kicker, der je in Sogakope trainierte, schoss seine Bundesliga-Tore für die Austria: Larry Kayode. Er war 2010 nach zwei Akademie-Jahren zu einem ivorischen Profiklub gewechselt.

Im August 2014 übernahm der ghanaische Ver- ein Feyenoord Fetteh die stillgeleg­te Akademie, sie heißt seither West African Football Academy. „Wafa“spielt in der ghanaische­n Premier League um den Meistertit­el, Akademie-Auswahlen treten bei internatio­nalen Turnieren an, im Sommer wechselte der 19-jährige Majeed Ashimeru zu Liefering. Salzburg-Sportdirek­tor Christoph Freund lässt in einem Statement wissen: „Wir haben mit der Wafa – auch aufgrund der gemeinsame­n Vergangenh­eit – eine enge und vertrauens­volle Zusammenar­beit.“Immer wieder fänden junge Spieler ihren Weg nach Salzburg, regelmäßig seien Betreuer zu Gast. „Wir kennen ihre Arbeit, sie kennen unsere – das macht die Zusammenar­beit deutlich einfacher.“

Für den 16-jährigen AkademieKi­cker Aminu Mohammed soll Manchester City im Sommer zwei Millionen Pfund geboten haben.

Es wird wieder geträumt in Sogakope. So wie damals, als Felix Adjei in den Flieger stieg: „Alles, was ich wusste, war, dass sie Fußball spielen und dass es kalt ist.“Auch in Umea spielen sie Fußball, Drittligaf­ußball. Im Winter hat es minus 20 Grad.

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Aller Wahrschein­lichkeit nach schaffte es dieser Fußballer von Red Bull Ghana nicht nach Europa.
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Die lokalen Ältesten und Chiefs haben in Ghana ebenso etwas zu sagen wie die staatliche Regierung. Red Bull war das egal.
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Foto: Werner1003­59/CC Felix Adjei spielte einmal für Red Bull Salzburg.
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AGENDA AFRIKA

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