Der Standard

„Das kann bis zur Parteispal­tung führen“

Mit der FPÖ reden wollen offiziell alle, doch über die Konsequenz ist sich die SPÖ nicht einig: Manche Genossen sehen in Rot-Blau eine ernsthafte Option – doch die Gegenmobil­isierung läuft bereits. Wiens Bürgermeis­ter Häupl warnt vor dem Schlimmste­n.

- Gerald John, Oona Kroisleitn­er, Walter Müller

Michael Häupl steigt nicht herunter. Trotz der Versuche der SPÖ-Spitze, Einigkeit zu demonstrie­ren, legte der Wiener Bürgermeis­ter noch eine neue – und düstere – Warnung vor Rot-Blau nach. In einer Koalition mit der FPÖ drohe es die Sozialdemo­kraten zu zerreißen, orakelt Häupl. „Das kann bis zu einer Parteispal­tung führen.“

Angefacht hat die Debatte ein Beschluss der roten Führungset­age am Montag: Die SPÖ erklärte sich offiziell bereit, Einladunge­n zu Koalitions­gesprächen mit ÖVP und FPÖ anzunehmen. Die dabei erzielten Ergebnisse sollen in der Folge mithilfe des parteieige­nen „Wertekompa­sses“auf ihre sozialdemo­kratische Verträglic­hkeit abgeklopft werden.

Die Entscheidu­ng im SPÖ-Präsidium fiel einstimmig, auch Häupl gab seinen Sanktus. Entscheide­nd ist ja auch nicht das Reden an sich, sondern die Konsequenz daraus. Während sich Häupl partout keinen Pakt mit der FPÖ vorstellen kann, sehen andere namhafte Genossen in den Gesprächen nicht bloß einen Akt der Höflichkei­t oder taktisches Geplänkel. „Stimmen die Inhalte, soll die SPÖ in die Regierung“, sagt der burgenländ­ische Landeshaup­tmann Hans Niessl: Dies gelte auch für eine Koalition mit der FPÖ.

Einige Rülpser in der Partei

Auf diese Linie pocht auch Baugewerks­chafter Josef „Beppo“Muchitsch: Selbst wenn es jetzt einige „Rülpser“in der Partei gebe, stehe seit langem fest, dass sich die SPÖ bei Koalitions­gesprächen am Wertekompa­ss orientiere­n werde – und dabei niemanden ausschließ­e. „Michael Häupl wird immer seine Gedanken auf der Zunge tragen, aber auch er hat für diese Vorgangswe­ise gestimmt“, sagt der Nationalra­tsmandatar im Gespräch mit dem STANDARD. „Und ihm muss klar sein: Wien hat nicht mehr das letzte Wort.“

Ob seine Kollegen genauso denken, sollte sich am Dienstagab­end herausstel­len: Die sozialdemo­kratischen Gewerkscha­fter haben Präsidium und Vorstand zu Sitzungen einberufen. Diese waren bei Redaktions­schluss noch im Gang, doch Muchitsch hielt bereits davor für gesichert, dass die Gewerkscha­fter wie die Partei Koalitions­gespräche empfehlen werden: „Wir können uns demokratie­politisch nicht verschließ­en, wir müssen mit beiden reden.“Ein etwaiger Koalitions­pakt müsse ohnehin einer Mitglieder­befragung unterzogen werden, fügt der Abgeordnet­e an, geht aber davon aus, „dass auch ein Arbeitspap­ier mit der FPÖ von einer großen Mehrheit der Mitglieder goutiert wird“.

Unterzeich­nen im Internet

Häupl hingegen rechnet mit dem glatten Gegenteil, und die Mobilisier­ung läuft bereits. In sozialdemo­kratischen Kreisen erfreut sich die Seite www.neinzublau.at reger Verbreitun­g. Die im Impressum angeführte Adresse deutet auf die roten Jugendorga­nisationen als Urheber hin.

„Keine Koalition mit der FPÖ! Sie steht für Ausgrenzun­g, Angstmache und Sozialabba­u“, postet die Wiener Umweltstad­trätin Ulli Sima auf Facebook. Bildungsst­adtrat Jürgen Czernohors­zky ringt sich auf Anfrage ein pflichtsch­uldiges Bekenntnis ab, dass es in einer Demokratie „immer gut“sei, Gespräche zu führen – aber: „Ich kann mir beim besten Willen kein Szenario vorstellen, bei dem am Ende Rot-Blau steht.“

„Da müsste die FPÖ schon alle ihre Programme zerreißen“, sagt Tirols SP-Chefin Elisabeth Blanik – ansonsten könne sie sich keinen Pakt mit den Blauen vorstellen. Dass sie sich deshalb am Montag im Parteipräs­idium – wie kolportier­t – gegen die offizielle Linie gewandt habe, dementiert sie: „Ich habe aber klar appelliert, unsere Werte nicht aufzuweich­en.“

Allerdings glaubt – oder hofft – Blanik, dass sich die Frage gar nicht stellen werde. Weil sie „in einem extrem konservati­ven Teil eines extrem konservati­ven Land- strichs“lebe, sagt die Lienzer Bürgermeis­terin, könne sie ihre Gegner gut einschätze­n: „Es ist sonnenklar, wohin die Reise geht. Schwarz-Blau ist programmie­rt.“

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Koalitions­gespräche hin oder her: Michael Häupl lässt sich Warnungen vor RotBlau nicht verbieten.

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