Kern bei Kurz: Zwischen Annäherung und Formsache
Die erste Runde mit den Parteichefs ist absolviert, jetzt muss sich ÖVP-Obmann Sebastian Kurz entscheiden, mit wem er in vertiefende Gespräche eintritt – oder gleich die Koalitionsverhandlungen aufnimmt. Die SPÖ macht sich keine großen Illusionen mehr.
Wien – Für Noch-Bundeskanzler Christian Kern war das kein angenehmer Termin, er wurde am Sonntagabend von Wahlsieger Sebastian Kurz im schwarzen Kubus auf dem Heldenplatz, einem der Ausweichquartiere des Parlaments, zu einem „Annäherungsgespräch“empfangen. Hoffnungen auf eine Koalition mit der ÖVP hegte Kern da keine mehr. Schon vor dem Wochenende sagte Kern angesichts eines informellen Treffens des ÖVP-Obmanns mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: „Dass wir wenig Gemeinsamkeiten finden würden, ist sonnenklar.“Er sei „überzeugt“davon, dass es zu einer türkis-blauen Regierung komme, denn: „Beide Parteien haben Programme, die nahezu wortident sind. Man fragt sich, wer von wem abgeschrieben hat.“
Dennoch wollte Kern seinen Termin mit Kurz nicht als reine Formsache abtun. Es gebe durchaus etwas zu bereden, hieß es im Vorfeld. Es gehe darum, was man die nächsten fünf Jahre in einer Regierung tun sollte, selbst wenn man dieser nicht angehöre. Kern hatte die Punkte aus seinem Plan A mitgebracht und für eine all- fällige Vertiefung des Gesprächs auch die von der SPÖ bereits im Vorfeld formulierten Koalitionsbedingungen. Diese umfassen steuerliche Entlastungsmaßnahmen ebenso wie den Ausbau der Kinderbetreuung, sichere Pensionen oder mehr Geld für Bildung. Und es gebe durchaus kompromissfähige Themen, bei denen sich ÖVP und SPÖ treffen könnten. Bei der Begrenzung der Migration etwa.
Nach Türkis-Rot sieht es dennoch nicht aus. Bereits am Samstagnachmittag gaben sich Kurz und Strache voneinander sichtlich angetan – und das, obwohl der FPÖ-Chef den vom Bundespräsidenten mit der Regierungsbildung Betrauten staubedingt warten ließ. Nach einer guten Stunde Unterredung betonte Kurz, er habe „das starke Gefühl“, dass bei Straches FPÖ nun Veränderungsund Gestaltungswille sowie Ver- antwortungsbewusstsein“herrschten. Der Freiheitliche wiederum sah sich „guter Dinge“, demnächst zu Koalitionsverhandlungen eingeladen zu werden. Die Inhalte ihres Gesprächs blieben beide Seiten schuldig.
FPÖ bleibt in EU-Fraktion
Am Sonntag legte Straches Vize Norbert Hofer im APA-Interview nach: Er sehe derzeit nur eine Koalition mit der ÖVP als realistische Möglichkeit, dazu stichelte er in Richtung SPÖ: „Derzeit ist nicht klar, in welche Richtung sich die Partei entwickelt und welcher Flügel sich durchsetzt.“
Dazu betonte Hofer „den Veränderungswunsch“der Wähler. Neben Strache sind er und Generalsekretär Herbert Kickl fix im blauen Verhandlungsteam. Als wichtige Koalitionsthemen nannte Hofer ein Mehr an direkter Demokratie, wobei der Verfassungs- gerichtshof ein Vetorecht bei Volksabstimmungen bekommen soll, die Senkung der Steuer- und Abgabenquote sowie der bürokratischen Hürden – und natürlich die Frage der Sicherheit.
Dass die FPÖ bei einer Regierungsbeteiligung die Rechtsfraktion im EU-Parlament verlässt, hält Hofer jedoch „für ausgeschlossen, weil in welcher Fraktion man eine Arbeitsebene bildet, überhaupt nichts über die inhaltliche Ausrichtung der einzelnen Parteien aussagt. Auch die ÖVP befindet sich in einer Fraktion mit Viktor Orbáns Fidesz-Partei.“
Bei „stillem Wasser und Schwarzbroten“lotete Kurz mit Neos-Boss Matthias Strolz schon am Freitag aus, welche Reformen mit einer Zweidrittelmehrheit mit dem Sanktus der Neos – also mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament – beschlossen werden könnten. Neben einer Schuldenbremse im Verfassungsrang konkretisiert Strolz im STANDARDGespräch, dass sich der ÖVP-Chef und er auch über eine Stärkung des Persönlichkeitswahlrechts und die Zusammenlegung der Sozialversicherungen ausgetauscht haben – für Änderungen des Status quo bräuchten diese beiden Materien ebenfalls eine Verfassungsmehrheit.
Neos als „Wertewächter“
Dennoch hält Strolz für die Neos in der kommenden Legislaturperiode fest: „Wir wollen auch Kontrollpartei und Wertewächter sein – bei Anträgen, die von dumpfen Rechtspopulismus geprägt sind, gehen wir sicherlich nicht mit.“
Peter Pilz war Samstagvormittag zu Gast bei Kurz am Heldenplatz. In den eineinhalb Stunden sicherte der ÖVP-Chef Pilz zu, dass die unterbrochene parlamentarische Untersuchung rund um die Eurofighter fortgesetzt werden soll. Im STANDARD- Gespräch präzisiert Pilz, dass er „freilich nicht daran“denke, „den Antrag“zu der einst schwarz-blauen Abfangjägerbeschaffung „mit der ÖVP zu formulieren“– vielmehr galt es im Gespräch sicherzustellen, dass die Bald-wieder-Kanzlerpartei hier „keine Obstruktion“betreibe.
Auch bei den neuen Mehrheitsverhältnissen im Nationalrat braucht die Liste Pilz für das Einsetzen eines U-Ausschusses allerdings die Zustimmung der SPÖ oder der FPÖ, weil dafür ein Viertel der Abgeordneten nötig ist – ein Ja der Neos reicht dafür nicht aus.