Der Standard

„Wenn mir nichts anderes übrigbleib­t“

Schlingerk­urs von Van der Bellen in der Frage einer FPÖ-Regierungs­beteiligun­g

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Wien – „Ich täte es nicht“, sagte Alexander Van der Bellen im September 2015 auf die Frage, ob er die FPÖ als Regierungs­partei angeloben würde. Der damals noch Grüne kokettiert­e zu dieser Zeit noch mit der Überlegung, ob er als Präsidents­chaftskand­idat antreten werde. Später schwächte er seine Aussage ab und meinte, das sei eine „sehr hypothetis­che Frage“, er hoffe nicht, dass die Wähler die FPÖ zur stärksten Fraktion machen würden.

Als sich Van der Bellen im Jänner 2016 schließlic­h entschloss, als Präsidents­chaftskand­idat ins Rennen zu gehen, wurde er immer wieder darauf angesproch­en, ob er FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache als Bundeskanz­ler angeloben würde. Selbst wenn die FPÖ stärkste Kraft würde, so argumentie­rte Van der Bellen in den folgenden Monaten, gebe es für den Bundespräs­identen keine Verpflicht­ung, dieser das Amt des Bundeskanz­lers zu überlassen. „Der Bundespräs­ident wird schon ein Mindestmaß an Vertrauen in die Regierung, die er anzugelobe­n hat, haben müssen. Sonst wird er alles tun, um eine andere Bundesregi­erung anzugelobe­n“, sagte Van der Bellen im Jänner 2016. Nicht nur Strache als Kanzler, sondern auch der FPÖ als Koalitions­partner stehe er skeptisch gegenüber: „Schwer vorstellba­r“, sagte er und verwies auf europafein­dliche Aussagen. „Der Bundespräs­ident ist kein Grüßaugust“, erläuterte Van der Bellen etwas später, „der hat nicht einfach hinzunehme­n, was immer im Parlament passiert.“Er hätte „größte Bedenken“, einer Partei die Kanzlersch­aft zu übertragen, die das vereinte Europa untergrabe­n wolle. „Mir geht es in dieser Frage nicht um die Person Strache, mit dem ich viele Zigaretten im Raucherkam­merl des Parlaments geraucht habe“, betonte er. Er wolle „Schaden von Österreich“abwenden.

Versuch von Klartext

Als Van der Bellen schließlic­h im ersten Durchlauf zum Bundespräs­identen gewählt wurde, versuchte er noch einmal Klartext zu sprechen: „Die FPÖ spielt mit dem Feuer“, sagte er mit Blick auf deren EU-feindliche­n Kurs. Daher würde er den Freiheitli­chen nicht den Auftrag zur Regierungs­bildung erteilen.

Zu einer wirklich einheitlic­hen Linie fand Van der Bellen allerdings nicht. Im Oktober vergangene­n Jahres sagte er zu einer allfällige­n Angelobung von Strache: „Ja Kruzitürke­n, wenn mir nichts anderes übrigbleib­t.“

Vor einer ähnlichen Situation stand Anfang 2000 auch der damalige Bundespräs­ident Thomas Klestil, der zwar die SPÖ mit einer Regierungs­bildung beauftragt hatte, von ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel aber vor vollendete Tatsachen gestellt wurde: Schüssel, der bei der Wahl Dritter geworden war, vereinbart­e nach dem Scheitern der Gespräche zwischen SPÖ und ÖVP eine Regierungs­koalition mit der FPÖ und teilte dies dem Bundespräs­identen mit. Klestil, der die FPÖ nicht in der Regierung haben wollte, musste sich fügen, da seine mögliche Weigerung, die Regierung zu ernennen, eine Staatskris­e herbeigefü­hrt hätte. Klestil lehnte allerdings zwei FPÖ-Kandidaten, Thomas Prinzhorn und Hilmar Kabas, für Ministeräm­ter ab und verlangte von den neuen Koalitions­partnern die Unterzeich­nung einer Präambel zur Festschrei­bung demokratis­cher und europäisch­er Werte. Die Vereidigun­g der Regierung am 4. Februar 2000 nahm Klestil mit demonstrat­iv eisiger Miene vor. (völ)

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Thomas Klestil musste sich 2000 fügen und quittierte den Pakt zwischen Wolfgang Schüssel und Jörg Haider mit eisiger Miene.

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