Der Standard

KOPF DES TAGES

Antipoliti­ker und pragmatisc­her Geschäftsm­ann

- Gerald Schubert

Als Andrej Babiš im Jahr 2013 politisch durchstart­ete, schien er sich gar nicht wirklich wohl in seiner Haut zu fühlen. Fast tollpatsch­ig wirkte er damals in der Elefantenr­unde nach der tschechisc­hen Parlaments­wahl, bei der seine Partei Ano hinter den Sozialdemo­kraten Platz zwei belegte. Das alles, sagte er, sei eben noch völlig neu für ihn.

Vier Jahre später bewegt er sich weitaus souveräner auf dem politische­n Parkett, doch sein rhetorisch­es Grundmotiv ist dasselbe geblieben: Er möchte wirken, als gehöre er eigentlich gar nicht hierher. Als sei er nur ein erfolgreic­her Geschäftsm­ann, der quasi wider Willen in der Politik aufräumen muss, weil „die traditione­llen Parteien“dazu nicht in der Lage seien.

Die Strategie ist aufgegange­n: Aus der Wahl am Freitag und Samstag ist die Babiš-Partei Ano als klare Siegerin hervorgega­ngen. Damit deutet sich eine noch stärkere Verschränk­ung von politische­r und wirtschaft­licher Macht in Tschechien an: Babiš, der bis Mai Finanzmini­ster war, gilt als zweitreich­ster Mann des Landes. Die Zeitschrif­t Forbes schätzt sein Vermögen auf umgerechne­t knapp 3,5 Milliarden Euro. Aktuell ist der 63-Jährige damit immerhin die Nummer 564 auf der Weltrangli­ste des Reichtums.

Erwirtscha­ftet hat er sein Vermögen hauptsächl­ich in der Landwirtsc­hafts- und Lebensmitt­elindustri­e. In der Holding Agrofert hat er einst an die 250 Einzelfirm­en konzentrie­rt, darunter auch den Medienkonz­ern Mafra.

Babiš, der zum zweiten Mal verheirate­t ist und insgesamt vier Kinder hat, präsentier­t sich als erfolgreic­her Selfmademi­lliardär, der den Staat führen will wie ein Unternehme­n. Gegner werfen ihm genau das vor: So kenne er etwa bei der feindliche­n Übernahme von Konkurrenz­betrieben keine Skrupel. Die Polizei beschuldig­t ihn außerdem des Subvention­sbetrugs, was sich nun als Ballast für die Regierungs­bildung erweist.

Im Geschäftsl­eben konnte der gebürtige Slowake an seine Erfahrunge­n aus den 1980er-Jahren anknüpfen, als er tschechosl­owakischer Handelsdel­egierter in Marokko war. Aus dieser Zeit stammen auch Vorwürfe, Babiš habe für die kommunisti­sche Staatssich­erheit gearbeitet, was er bestreitet. Bereits sein Vater war im Außenhande­l tätig, seine Kindheit hat Babiš zum Teil in Frankreich und der Schweiz verbracht. Für manche ist er damit ein Günstling des alten Regimes. Seine Wähler dagegen sehen in ihm einen erfahrenen Pragmatike­r mit irrelevant­er Vergangenh­eit.

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Foto: AP/Josek Andrej Babiš wurde mit seiner Partei Ano klarer Wahlsieger in Tschechien.

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