Katalanische Regierung wird entmachtet
Die Zentralregierung in Madrid leitet Zwangsmaßnahmen gegen Katalonien ein, nächste Woche sollen sie endgültig verabschiedet werden. In einem halben Jahr soll es Wahlen geben. Barcelona protestiert.
Es ist so weit: Spaniens konservativer Premier Mariano Rajoy leitet Zwangsmaßnahmen gegen Katalonien ein. „Dies setzt die Autonomie und Selbstregierung Kataloniens nicht außer Kraft, aber es enthebt jene Personen des Amtes, die Autonomie und Selbstregierung außerhalb des Gesetzes gestellt haben“, so Rajoy nach einer Kabinettssitzung am Samstag.
Der Chef der Autonomieregierung „Generalitat“, Carles Puigdemont, sowie alle Minister werden ihres Amtes enthoben werden. Auch das katalanische Parlament büßt Kompetenzen ein. Es hat fortan nicht mehr das Recht, eine neue Regierung zu bilden, und Madrid kann gegen alle Beschlüsse des Parlaments ein Veto einlegen, wenn sie für nicht verfassungsgemäß erachtet werden. Bis zu Neuwahlen, die Rajoy spätestens in sechs Monaten ausrufen will, bleibt Katalonien direkt der Regierung in Madrid unterstellt.
Artikel 155 angewandt
Dies sei notwendig, da sich die katalanische Regierung „außerhalb des Gesetzes gestellt“habe, erklärte Rajoy und verwies auf das Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober, welches trotz Verbotes durch das Verfassungsgericht abgehalten wurde. Zum ersten Mal in der 39-jährigen Geschichte der spanischen Verfassung wird Artikel 155 angewandt.
Ob Rajoy Politiker oder Technokraten nach Barcelona schickt oder die Ministerien in Madrid die Verwaltung Kataloniens übernehmen, ist noch offen. Madrid wird damit so sensible Bereiche wie die Führung der Autonomiepolizei, aber auch Bildung und das öffentliche Fernsehen und den Rundfunk übernehmen. Lehrer- und Elternverbände sowie die Journalistengewerkschaft haben bereits Proteste angekündigt. Bereits am Samstag hatten 450.000 Menschen in Barcelona demonstriert.
Jetzt muss das Paket durch den Senat. Noch am Samstag befasste sich das Präsidium der zweiten Kammer des spanischen Parlaments mit dem Dokument. Diese Woche wird es einer Kommission aus Vertretern aller autonomen Regionen vorgelegt. Diese studiert den Plan und hört Puigdemont an. Am Freitag dann wird eine Plenarsitzung die Maßnahmen endgültig verabschieden. Rajoys Partido Popular (PP) hat im Senat die absolute Mehrheit und wird von der sozialistischen PSOE und den rechtsliberalen Ciudadanos unterstützt, mit deren Führern die Maßnahmen abgestimmt wurden.
„Demokratisch die Zukunft einer Nation zu entscheiden ist kein Verbrechen“, reagierte Puigdemont am Samstag. Er warf Rajoy vor, „die schlimmste Entschei- dung“seit der Franco-Diktatur getroffen zu haben. Madrid habe „sich unrechtmäßig zum Vertreter der Katalanen gemacht“: Puigdemont will in nächsten Tagen vor das katalanische Parlament treten. Dort könnte er die Unabhängigkeit ausrufen, Wahlen ansetzen oder beides. Sollte er die Loslösung Kataloniens erklären, droht ihm die Festnahme.
In den Reihen der Sozialisten führt der Beschluss des Parteivorsitzenden Pedro Sánchez, Rajoy bei Artikel 155 zu unterstützen, zu Spannungen. Vier Bürgermeister verlangten die „radikale Ablehnung der Anwendung des Artikels und aller sich daraus ableitenden Maßnahmen“.