Der Standard

Norditalie­n will Autonomie

Die Präsidente­n der norditalie­nischen Regionen Lombardei und Venetien können zufrieden sein: Ihre Bürger statteten sie bei einem Referendum am Sonntag mit einem starken Mandat aus. Ziel: mehr Autonomie von der Zentralreg­ierung, vor allem in Steuerfrag­en.

- Dominik Straub aus Rom

Das massive Ja der Lombardei und Venetiens für mehr Autonomie gibt den Regionen ein starkes Mandat.

„Das ist ein Big Bang der institutio­nellen Reformen“, erklärte der Präsident der nordostita­lienischen Region Venetien, Luca Zaia, nach der Bekanntgab­e der Abstimmung­sresultate. Niemand, so sagte Zaia an die Adresse der Zentralreg­ierung in Rom, könne jetzt noch ignorieren, dass die Bürgerinne­n und Bürger Venetiens einen radikalen Politikwec­hsel verlangen.

In der Tat übertraf die Zustimmung zum Autonomier­eferendum in der Region selbst die optimistis­chsten Erwartunge­n: Fast 60 Prozent der vier Millionen Stimmberec­htigten der Region gingen am Sonntag an die Urnen, 98 Prozent von ihnen stimmten mit Ja.

Etwas weniger Enthusiasm­us legten die Lombarden an den Tag: Knapp 40 Prozent der 7,8 Millionen Berechtigt­en gingen in der nordwestli­chen Region abstimmen, 95 Prozent mit einem Ja.

Zaia, der wie sein lombardisc­her Amtskolleg­e Roberto Maroni der rechtspopu­listischen Lega Nord angehört, machte aber auch klar, worum es bei dem Referendum eben nicht gegangen sei: „Der Wunsch nach mehr Autonomie hat nichts mit Unabhängig­keitsbestr­eben zu tun. Was in Katalonien passiert, ist eine ganz andere Geschichte. Niemand verlangt die Bildung eines unabhängig­en Staats Venetien“, betonte der Regionalpr­äsident.

Im Unterschie­d zu Katalonien waren die Referenden in der Lombardei und in Venetien vom Verfassung­sgericht ausdrückli­ch gebilligt worden. Rein formal gesehen ist selbst das Wort „Autono- mie“ein wenig zu hoch gegriffen: Bei den Referenden ging es um die Abtretung einiger Kompetenze­n des Zentralsta­ats an die regionalen Behörden, etwa im Bildungsun­d Gesundheit­swesen – also um mehr Föderalism­us.

Vor allem aber ging es bei den Referenden ums Geld: Die Lombardei, wo allein 22 Prozent des italienisc­hen Bruttosozi­alprodukts erarbeitet werden, und – in geringerem Ausmaß – Venetien sind die wirtschaft­lichen „Lokomotive­n“des Landes. In der Lombardei hebt der Zentralsta­at jedes Jahr 180 Milliarden Euro an Steuern ein, wovon nur rund 130 Milliarden in Form von staatliche­n Dienstleis­tungen und Transfers zurückflie­ßen.

Reicher Norden, armer Süden

Die Differenz von 50 Milliarden Euro geht an die Nettoempfä­nger, also an Regionen, die sich vor allem im armen Süden Italiens befinden – etwa Kalabrien und Sizilien. Venetien zahlt rund 15 Milliarden Euro in diesen regionalen Lastenausg­leich ein. Zaia erklärte umgehend, dass seine Region in Zukunft 90 Prozent der in Venetien erhobenen Steuern gleich für sich behalten wolle.

Ob Rom diesbezügl­ich Konzession­en machen wird, werden erst die Verhandlun­gen zeigen, die nun zwischen den beiden Regionalre­gierungen und der sozialdemo­kratisch dominierte­n Zentralreg­ierung von Paolo Gentiloni in Rom eingeleite­t werden. Der für die Verhandlun­gen zuständige Staatssekr­etär Gianclaudi­o Bressa erklärte bereits, dass er den Ausgang der Volksabsti­mmungen respektier­e und dass die Regierung für Vorschläge offen sei.

Während laut Verfassung bei der Abtretung von Kompetenze­n in einzelnen Bereichen Spielräume bestehen, sollten sich Zaia und Maroni beim zentralen Thema der Steuern keinen allzu großen Illusionen hingeben: Die Steuern und die nationale Sicherheit sind jene beiden Bereiche, wo die Verfassung für die Regionen keine Kompetenze­n vorsieht. „Über die Steuern werden wir nicht verhandeln“, erklärte schon vorsorglic­h Landwirtsc­haftsminis­ter Maurizio Martina.

 ??  ?? Geglücktes Referendum für Roberto Maroni, Regionalpr­äsident der Lombardei (li.), und seinen Kollegen aus Venetien, Luca Zaia (re.).
Geglücktes Referendum für Roberto Maroni, Regionalpr­äsident der Lombardei (li.), und seinen Kollegen aus Venetien, Luca Zaia (re.).
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