Van der Bellen mischt bei Türkis-Blau mit
Der Bundespräsident hat im kleinen Kreis geäußert, dass er große Vorbehalte gegen einen freiheitlichen Innenminister habe. Türkis-blaue Verhandlungen könnten sich ziehen.
Es wird ernst. Am Montag machte ÖVP-Obmann Sebastian Kurz eine Stippvisite in der Hofburg. Die Sondierungsgespräche mit den Chefs aller künftig im Parlament vertretenen Parteien sind abgeschlossen. Seine Conclusio trug er nun dem Bundespräsidenten vor. Alexander Van der Bellen äußerte sich nach dem Treffen nicht. Kurz selbst erklärte zwar, mit Regierungsgesprächen noch in dieser Woche starten zu wollen – mit wem, ließ er aber offen. Aus türkisen Kreisen ist zu hören: Am Mittwoch oder spätestens Freitag sollen die Verhandlungen mit der FPÖ aufgenommen werden. Doch schon jetzt deutet einiges darauf hin, dass diese nicht ganz friktionsfrei ablaufen könnten.
Wie der STANDARD aus mehreren Quellen erfahren hat, erklärte Van der Bellen bei einer Vorstands- sitzung der Industriellenvereinigung (IV) am vergangenen Donnerstag, dass er nicht nur große Vorbehalte gegen die Angelobung eines freiheitlichen Außenministers habe, sondern auch das Innenressort nicht ohne weiteres in blaue Hände legen möchte. Begründet habe der Bundespräsident seine Bedenken damit, dass aufgrund der Flut an Daten, die dort zusammenlaufen, besondere Sensibilität gefragt sei, die er Freiheitlichen nicht vorbehaltlos zutraue. Für Strache ist eine blaue Besetzung des Innenministeriums allerdings Koalitionsbedingung.
Es glaubt auch fast niemand mehr an eine rasche türkis-blaue Einigung. Vor der Wahl wurde noch kolportiert, Kurz werde im Fall eines Wahlsieges auf zügige Verhandlungen drängen. Doch selbst im Umfeld des ÖVP-Chefs macht sich inzwischen Skepsis breit, ob das gelingen wird.
Verhandlungen bis Jänner
In blauen Kreisen geht man eher davon aus, dass sich die Gespräche bis Jänner ziehen werden. Die Freiheitlichen möchten alle Themen möglichst detailliert ausverhandeln, damit sich nach der Angelobung nicht wiederholt, was seitens der FPÖ in den vergangenen Jahren immer kritisiert wurde: ständiger Koalitionsstreit.
Und auf beiden Seiten gibt es zahlreiche Interessengruppen, die auf Bundesebene Personal und Inhalte deponieren wollen: So ha- ben die oberösterreichischen Freiheitlichen bereits auf eigene Faust konkrete Verhandlungspapiere ausformuliert und Listen mit möglichen Kabinettsmitgliedern erstellt. Weniger gut organisiert sei die Wiener Landesgruppe, aber auch die will freilich nicht zu kurz kommen, erzählen Blaue.
Kommt es zu einer Koalition, gelten Strache und der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer als Fixstarter für Ministerposten. Darüber hinaus soll sich der FPÖLandesparteichef von Kärnten, Gernot Darmann, derzeit selbst vehement ins Spiel bringen. Der Steirer Mario Kunasek habe hingegen bereits abgewunken, weil er sich Chancen ausrechnet, nach der nächsten Steiermark-Wahl Landeshauptmann zu werden. Generalsekretär Herbert Kickl soll als Klubobmann die Parlamentsriege unter Kontrolle halten.
In der Volkspartei gilt es als sicher, dass Hans Jörg Schelling, derzeit Finanzminister, in der neuen Regierung keinen Platz finden wird, auch andere Minister sollen ihre derzeitigen Ämter abgeben. Fraglich ist die künftige Rolle von Noch-Innenminister Wolfgang Sobotka. Gute Chancen auf ein Regierungsamt haben jedenfalls ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger und der ehemalige Rechnungshofpräsident Josef Moser.
Für die Koalitionsgespräche soll Kurz neben Köstinger auch auf den zweiten ÖVP-General Stefan Steiner setzen. Darüber hinaus seien thematische Chefverhandler geplant: Den Komplex Soziales könnte Sozialsprecher August Wöginger übernehmen, der auch als neuer Klubchef gehandelt wird, heißt es in ÖVP-Kreisen.