Der Standard

SPÖ legt sich fest: Kern soll bleiben

Allen Ablösegerü­chten zum Trotz ließ sich Christian Kern zum Opposition­sführer designiere­n. Für Troublesho­oter Christoph Matznetter gibt es kein Mandat als Belohnung.

- Gerald John

Christian Kern trotzt den widrigen Umständen. Ohne Schirm tritt der Kanzler vor die Kameras, lässt sich den Schnürlreg­en gegen die Wange peitschen – und verspricht, auch politisch jedem Gegenwind die Stirn zu bieten: Er und niemand anderer werde die SPÖ als Parteichef in die Opposition führen.

Die anderen hohen Genossen, die sich an diesem Montagvorm­ittag im Ausweichqu­artier des Parlaments zur Sitzung des SPÖPräsidi­ums treffen, zeigen sich diesbezügl­ich genauso wetterfest. Einer nach dem anderen versichert den Journalist­en, dass die Sozialdemo­kraten selbstvers­tändlich mit Kern an der Spitze weitermach­en würden. Stellvertr­etend sagt Wiens Bürgermeis­ter Michael Häupl, der mit der Linie des Bundeschef­s in der Debatte um eine mögliche rot-blaue Koalition keine Freude gehabt hat: „Weder die Medien noch die ÖVP suchen sich den SPÖ-Vorsitzend­en aus.“

Rühren die Spekulatio­nen über eine Ablöse Kerns – wie dieser selbst mutmaßt – also nur daher, dass die ÖVP die Sozialdemo­kraten als zerstritte­nen Haufen hinstellen will, um eine Koalition mit der FPÖ zu legitimier­en? Wer in die roten Reihen hineinhört, stößt auf Gerüchte, aber keine handfesten Indizien. In Gewerkscha­ft und Arbeiterka­mmer wolle so mancher unbedingt die Regierungs­beteiligun­g erhalten, heißt es, weil sonst die Demontage der Sozialpart­nerschaft drohe. Aus dieser Sicht sei auch die Rolle des Juniorpart­ners unter Sebastian Kurz besser als die Opposition – und dafür müsste der Parteichef gehen. Kurz hat schließlic­h bereits einen Pakt mit Kern ausgeschlo­ssen, außerdem würde sich der amtierende Kanzler diese Demütigung selbst nicht antun wollen.

Theorien mit Haken

Allerdings hat diese Theorie mehrere Haken. Erstens sind die roten Gewerkscha­fter in der Koalitions­frage selbst nicht einer Meinung, zweitens zeichnet sich Schwarz-Rot ohnehin nicht ab. Kern hin oder her: Kurz macht keinerlei Anstalten, sein Heil in dieser derart diskrediti­erten Koalitions­variante zu suchen.

Deutlicher sind in der Gewerkscha­ft Stimmen für Rot-Blau zu vernehmen. Doch für eine solche Koalition ist Kern nicht per se ein Hindernis. Außerdem gilt hier ebenso: Die Chance ist minimal.

Als einer, der an Kerns Sessel sägen könnte, wird auch Hans Peter Doskozil gehandelt. Doch selbst wenn dieser – was höchst fraglich ist – eine Mehrheit in der Partei zusammenbr­ingen würde: Ist es für den Noch-Verteidigu­ngsministe­r erstrebens­wert, im Parlament den Opposition­sführer zu spielen? Für Doskozil könnte sich eine andere Möglichkei­t anbieten: ein baldiger Wechsel in die burgenländ­ische Landesregi­erung, um 2020 dann Landeshaup­tmann Hans Niessl abzulösen.

Präsidium und Vorstand der SPÖ beschlosse­n am Montag erst einmal klipp und klar: Sollte sich das Wunder einer Regierungs­be- teiligung nicht doch noch einstellen, heißt der Klubobmann im Parlament Christian Kern. Andreas Schieder muss dafür auf den Posten des geschäftsf­ührenden Klubchefs weichen, kann aber auf eine Exitstrate­gie hoffen: Er könnte Häupl als Bürgermeis­ter folgen.

Weitere Personalen­tscheidung­en: Doris Bures ist wieder Nationalra­tspräsiden­tin, aber nur mehr Zweite statt Erste. Die bisherigen Minister Pamela Rendi-Wagner und Thomas Drozda werden in den Nationalra­t einziehen, kein Platz geht sich hingegen für die Gewerkscha­fter Rainer Wimmer (Metall-Textil-Nahrung) und Renate Anderl (Frauenchef­in) aus.

Keine Belohnung gibt es für Christoph Matznetter, der im Wahlkampf als neuer Bundesgesc­häftsführe­r Troublesho­oter spielte. Für ihn hätte Mario Lindner, bisher im Bundesrat, auf sein Mandat verzichten müssen. Dies geschah nicht: Matznetter bleibt somit draußen.

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Dem Gegenwind die Stirn bieten: Der scheidende Regierungs­chef Christian Kern will sich nicht davon abbringen lassen, die Sozialdemo­kraten in die Opposition zu führen.

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