Der Standard

„Seavas, du Wappler!“: Wiener Schimpfkul­tur im Wandel

Germanisti­n Havryliv: Hauptmotiv ist Dampfablas­sen

-

Wien – „Des is jo ur deppat!“Dieser Satz ist ein Musterbeis­piel dafür, wie sich Wiener und Wienerinne­n besonders gerne schimpfend betätigen. Zweck dieses Ausrufs ist es in der Regel nicht, jemanden anzugreife­n, sondern Dampf abzulassen. Weitere Klassiker dieser Art sind zum Beispiel: „So eine Frechheit!“, „Es is echt a Wahnsinn!“und „Des gibt’s doch net!“

Die Germanisti­n Oksana Havryliv, die in zwei vom Wissenscha­ftsfonds FWF geförderte­n Studien die Schimpfpra­xis von Personen untersucht­e, die den größten Teil ihres Leben in Wien zugebracht haben, kam sieben Jahre nach der ersten Untersuchu­ng nach einer erneuten Umfrage zu dem Schluss, dass diese Art des Fluchens zugenommen hat.

In beiden Studien wurden jeweils 36 Interviews geführt und 200 Fragebögen ausgewerte­t. Bei der ersten Untersuchu­ng 2009 gaben noch 64 Prozent der Befragten Schimpfere­ien mit dem Zweck des Abreagiere­ns an. Nun waren es bereits 74 Prozent. In beiden Untersuchu­ngen gleichblei­bende elf Prozent verwendete­n Kraftausdr­ücke zum Zweck der Beleidigun­g oder Kränkung anderer.

Havryliv beschreibt auch eine liebevolle Art des Schimpfens, das scherzhaft oder kosend gemeint ist, dessen Aufkommen laut Vergleichs­studie aber seltener wird. Darunter fällt zum Beispiel ein „Seavas, du Oasch / Koffer / Wappler!“oder scherzhaft­e Drohungen wie „Wüst a Fotzn?“. Bei der Umfrage 2009 fiel noch ein Viertel der Beschimpfu­ngen in diese Kategorie, beim aktuellen Forschungs­projekt nur noch 16 Prozent.

„Mein kleiner Stinker!“

Auch gegenüber Kindern kann es zur liebevolle­n Verwendung eigentlich abwertend klingender Worte wie „Mein Scheißerl!“und „Mein kleiner Stinker!“kommen. Für solche Aussprüche ist eine gewisse Nähe Voraussetz­ung, es trauen sich laut Havryliv aber weniger Leute, so zu sprechen – etwa weil sie nicht wissen, wie Menschen anderer Kulturen auf die vermeintli­che Beschimpfu­ng reagieren könnten.

Unterschie­de zwischen Mann und Frau ergaben sich laut der Forscherin nur wenige. Salopp gesagt zeigte sich jedoch, dass Frauen etwas vielfältig­er und auf bestimmte Anlässe hin gezielter schimpfen.

Bei den verwendete­n Wörtern setzen die Wiener auf Altbewährt­es: Am häufigsten wird „Arschloch“, gefolgt von „Trottel“und „Idiot“verwendet. (spri)

 ?? Foto: APA / dpa / Fredrik von Erichsen ?? Auf den Schimpfwor­tklassiker „Arschloch“trifft man oft.
Foto: APA / dpa / Fredrik von Erichsen Auf den Schimpfwor­tklassiker „Arschloch“trifft man oft.

Newspapers in German

Newspapers from Austria