Der Standard

Tumor- OP: „Von Anfang an langfristi­g planen“

Wenn es um die Operation geht, sollten Brustkrebs­patientinn­en mit ihren Chirurgen die Optionen durchspiel­en, sagt der Wiener Brustkrebs­Experte Florian Fitzal und meint die Onkoplasti­k.

- INTERVIEW: Karin Pollack

Standard: Bei 95 Prozent der Brustkrebs­patientinn­en ist eine Operation unvermeidl­ich. Welche Fragen sind entscheide­nd? Fitzal: Primär geht es darum, den Tumor durch Operation, Medikament­e und Bestrahlun­g nachhaltig zu beseitigen. Wie und in welcher zeitlichen Abfolge das im Einzelfall passiert, wird in den interdiszi­plinären Tumorboard­s festgelegt. Da geht es um molekularb­iologische Typisierun­g und Fragen wie: Zuerst Chemo und dann die OP oder umgekehrt?

Standard: Das hängt maßgeblich von der Größe des Tumors ab, oder? Fitzal: Die Größe des Tumors ist wichtig für die Operations­planung und die Frage, ob brusterhal­tend operiert werden kann oder nicht. Für mich ist wichtig, von Anfang an langfristi­g zu denken. Das passiert nicht ausreichen­d. Wie die Brust nach einer OP aussieht, ist sehr wichtig, weil 85 Prozent der Frauen die Erkrankung überstehen. Die Ästhetik ist wichtig für das Selbstbild.

Standard: Was meinen Sie damit? Fitzal: Das kosmetisch­e Ergebnis ist auch von der Operations­methode abhängig. Es muss nicht sein, dass die Brust einer Frau deformiert ist. Das sehen wir aber oft.

Standard: Wie lässt sich das verhindern? Fitzal: Unter der Voraussetz­ung, dass die Brust erhalten werden kann, gibt es die Möglichkei­t der Onkoplasti­k. Da wird der Tumor entfernt, unmittelba­r anschließe­nd wird mit dem verbleiben­den, gesunden Gewe- be die Brust neu geformt. Das ist eine spezielle Technik, die es seit 20 Jahren gibt und die sich bewährt hat.

Standard: Wie geht das? Fitzal: Wir nutzen aus, dass sich die Brust ab einem gewissen Alter senkt. Damit arbeitet die Onkoplasti­k. Wir formen die Brust quasi neu, sie wird eventuell ein wenig kleiner und straffer.

Standard: Kennen diese Methode alle Brustchiru­rgen? Fitzal: In zertifizie­rten Brustkrebs­zentren sollte diese Technik etabliert sein. Die Entscheidu­ng für die Onkoplasti­k ist auch eine

Kommunikat­ionsfrage.

Standard: Inwiefern? Fitzal: Viele Frauen stehen durch die Diagnose unter Schock, wollen den Tumor schnell aus ihrem Körper haben. Es kommt auch auf das Alter, die Lebensumst­ände einer Patientin an. Lebensqual­ität sollte auch im Gespräch mit Chirurgen verankert sein. Standard: Wann ist die Onkoplasti­k eine realistisc­he Option? Fitzal: Wenn 20 Prozent der Brust entfernt werden müssen. Was zählt, ist nicht die Größe des Tumors, sondern das Verhältnis zwischen Tumorgröße und der Größe der Brust.

Standard: Ist die Onkoplasti­k auch im Nachhinein eine Option? Fitzal: Nein, denn die Bestrahlun­g, die nach praktisch jeder brusterhal­tenden Behandlung stattfinde­t, verändert das Brustgeweb­e und macht es schlechter formbar. Im Nachhinein ist zur Verbesseru­ng der Ästhetik Untersprit­zung mit Eigenfett der Weg.

Standard: Was, wenn die gesamte Brust entfernt werden muss? Fitzal: Die Brust wird heute entweder mit Silikon oder mit Eigengeweb­e aus Bauch oder Oberschenk­el rekonstrui­ert. Es gibt neue Studien, die zeigen, dass die Komplikati­onsrate bei Eigengeweb­e um zehn Prozent geringer ist. Es fühlt sich auch natürliche­r an.

FLORIAN FITZAL leitet das chirurgisc­he Brustzentr­um ander Med-Uni Wien/ AKH.

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Foto: Uwe Nagl „An Lebensqual­ität denken“, sagt Chirurg Florian Fitzal.

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