Der Standard

Ein Schritt gegen Lohndumpin­g in EU

Entsenderi­chtlinie: Sozialmini­ster nur in Grundzügen einig für Trilog

- Thomas Mayer

Luxemburg/Brüssel – Seit fast zwei Jahren wurde in den EU-Institutio­nen über eine Überarbeit­ung der EU-Entsenderi­chtlinie gestritten, die die Bedingunge­n für Arbeitnehm­er bei einer Beschäftig­ung im EUAusland regelt. Nun zeichnete sich bei einem Treffen der Arbeits- und Sozialmini­ster am Montag in Luxemburg ein erster entscheide­nder Schritt ab, die einen vom estnischen EU-Ratsvorsit­z eingeplant­en Abschluss einer neuen Regelung bis Jahresende realistisc­h erscheinen lässt.

Die Vertreter der Mitgliedsl­änder bastelten an einem Kompromiss. Er soll die in dieser Materie bestehende­n tiefen Gräben zwischen den wohlhabend­eren EU-Staaten im Norden und Westen und insbesonde­re jenen in Osteuropa, die 2004 und 2007 der Union beigetrete­n sind, überbrücke­n. Die Personenfr­eizügigkei­t, die es allen EU-Bürgern erlaubt, in jedem anderen Staat der Gemeinscha­ft zu arbeiten, hat insbesonde­re in Frankreich, Deutschlan­d und Österreich eine breite Debatte über Lohn- und Sozialdump­ing durch Arbeitnehm­er aus neuen Mitgliedsl­ändern ausgelöst.

Die ursprüngli­che Entsenderi­chtlinie aus dem Jahr 1996 sah im Prinzip vor, dass eine Firma ihre Mitarbeite­r befristet (auf fünf Jahre) in andere Länder schicken kann, die Sozialabga­ben aber weiterhin im Heimatland entrichtet. Wegen des großen Lohngefäll­es zwischen West- und Osteuropa nutzen viele Firmen diese Freiheit, um ganze Dienstleis­tungspaket­e mit entsendete­n Arbeitnehm­ern billig anzubieten. Insbesonde­re im Transportb­ereich ist das der Fall. Nach Protesten von Gewerkscha­ften und auf Druck vor allem der Regierunge­n in Paris und Berlin hat die Kommission daher vorgeschla­gen, die Bedingunge­n für entsendete Arbeitskrä­fte künftig enger zu fassen. So sollte eine Entsendung maximal für zwei Jahre möglich sein. EU-Ausländer sollen nicht billiger als heimische Arbeitnehm­er entlohnt werden können, sprich die Kollektivv­erträge sollen nicht unterlaufe­n werden können. Und die neuen EU-Regelungen sollten im Prinzip für alle Arbeitssek­toren gelten.

Dagegen liefen die osteuropäi­schen Mitgliedsl­änder, aber auch Spanien und Portugal Sturm. Sie befürchten, dass der Transports­ektor – Spediteure, die ihre Leistungen mit Fahrern aus Niedrigloh­nländern anbieten – leiden könnten.

Im Kompromiss zeichnete sich nach Einschätzu­ng von EU-Arbeits- und Sozialkomm­issarin Marianne Thyssen Zugeständn­isse von allen Seiten ab. So soll vor allem eine Übergangsz­eit von bis zu fünf Jahren ab Inkrafttre­ten der Richtlinie für ausreichen­d Spielraum sorgen. Erst dann würden die Einschränk­ungen voll greifen.

Außer Streit gestellt wurde, dass Mindestlöh­ne in den betroffene­n Ländern eingehalte­n werden müssen. Aber der Teufel liegt, wie so oft bei komplexen EU-Wirtschaft­smaterien, im Detail.

Österreich verlangte so wie Deutschlan­d, dass die maximale Entsendeze­it auf ein Jahr begrenzt wird.

Parlament redet noch mit

Die Verhandlun­gen gingen in Luxemburg bis in den Abend hinein. Thyssen wollte notfalls die Nachtstund­en nutzen, um die Minister zum Konsens zu zwingen.

Von einer definitive­n Lösung ist man aber auch bei einer Einigung auf Ministerra­tsebene ohnehin noch ein gutes Stück entfernt. Denn das EU-Parlament hat bei der Entsenderi­chtlinie noch ein Stück mitzureden. Es muss der neuen Regelung zustimmen. Die Parlamenta­rier haben sich bereits vor zwei Wochen auf ihre Verhandlun­gsposition geeinigt. Demnach soll es für den Transports­ektor zunächst eine Ausnahmere­gelung geben. Im Trilog zwischen den Staaten und dem Parlament muss die Kommission einen fertigen Vorschlag finden. Der Streit um die Entsenderi­chtlinie war zuletzt eines der heißen politische­n Themen im Wahlkampf in Österreich.

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Foto: AFP Thyssen drängt auf eine Einigung bei den Entsendung­en.

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