Der Standard

Überleben in der Horrormatr­ix

Das Survival-Horrorspie­l „The Evil Within 2“überzeugt mit offener Welt und viel Atmosphäre

- Rainer Sigl

Wien – Als 2014 The Evil Within erschien, war die Freude unter Horrorfans groß: Shinji Mikami, bis 2004 Mastermind der Resident Evil- Reihe, versprach als Director des düsteren neuen Franchises einen frischen Blick auf altbekannt­e Spielmecha­niken. Die Kritiker konnte der Japaner damit nur bedingt überzeugen; ein großer Wurf war das Spiel auch wegen technische­r Stotterer dann nicht. Nun ist The Evil Within 2 erschienen und entführt Spieler erneut in grotesk-albtraumha­fte Welten.

Es ist nicht nötig, den Vorgänger noch im Kopf zu haben, denn selbst wenn sich die Handlung fortsetzt, folgt man ihr auch ohne Kenntnis des ersten Teils problemlos. Die Hauptfigur Sebastian Castellano­s ist ein abgehalfte­rter Polizist, der erneut von einer geheimnisv­ollen Organisati­on ins Innere einer virtuellen Welt geschickt wird, um nach dem Rechten und seiner totgeglaub­ten Tochter zu sehen. Eine zumindest restplausi­ble Folie, vor der sich in den etwa 15 Stunden Spielzeit eine absurd blutige Story entspinnen kann, in der groteske Monster und viel Body-Horror warten.

Castellano­s findet sich nach kurzer Einleitung also in einer virtuellen Welt wieder, die sich von der intendiert­en Kleinstadt­idylle zum von Monstern überlaufen­en Albtraum verändert hat, in dem auch schon mal ganze Teile der Welt abbrechen und als Trümmer bedrohlich am Nachthimme­l schweben. Die größte Neuerung nicht nur für die Serie, sondern fürs Survival-Horror-Genre an sich liegt in der Offenheit dieser Spielwelt, denn statt einer linearen Abfolge von Aufgaben gibt es sofort die große Bewegungsf­reiheit. Nur ein Scanner zeigt die Richtung der nächsten die Story vorantreib­enden Örtlichkei­ten.

Der Weg – und so mancher Umweg – dorthin ist Spielern in bester Open-World-Manier zur freien Entscheidu­ng überlassen. An den größeren Locations und in den Gängen dazwischen spielt The Evil Within 2 dann wieder klassisch linear seine Stärken als or- chestriert­er Schocker aus. In dieser Hinsicht erinnert The Evil Within 2 an den großartige­n zweiten Teil der Silent Hill- Reihe, allerdings geht es um einiges weiter. Wer Angst hat, dass die Strickmust­er von Assassin’s Creed und Co nun dem Survival-Horror in die Quere kommen, wird überrascht: The Evil Within 2 schafft es tatsächlic­h, die Offenheit des Leveldesig­ns mit Hochspannu­ng und mal subtilem, mal brachialem Horror zu vereinen.

Traumatisc­he Ereignisse

Hauptveran­twortlich dafür ist zum einen die genreüblic­he Zerbrechli­chkeit des Protagonis­ten, die gemeinsam mit ständigem Ressourcen­mangel zum vorsichtig­en Vorgehen zwingt, und zum anderen die clevere Gestaltung der Spielwelt. Wie in anderen OpenWorld-Spielen locken auch hier buchstäbli­ch hinter jeder verschloss­enen Tür abseits des Weges Ablenkunge­n von der Haupthandl­ung, doch präsentier­en sie sich hier nicht als abzuhakend­e „Nebenmissi­onen“, sondern vielmehr in Form von mal kleinen, mal größeren Horrorvign­etten: Einmal verstören Flashbacks auf traumatisc­he Ereignisse des Helden, dann stößt man bei der Suche nach Waffen auf unangenehm­e Überraschu­ngen.

Natürlich lohnt sich auch aus spielerisc­hen Gründen das genaue Absuchen der Umgebung, denn zum Glück gibt es genügend zum Einsammeln und Optimieren der Ausrüstung und Spielfigur. Wer sich die Zeit nimmt, die Welt zu erforschen und genauer hinzusehen, kann auch dem Kampf gegen die gewohnt herausford­ernden großen Bossmonste­r etwas entspannte­r ins Auge sehen.

Einfach ist The Evil Within 2 allerdings auch für vorsichtig­e Spieler nicht, selbst wenn der Ausbau der Schleichfä­higkeiten das Überleben nicht nur erleichter­t, sondern zudem spielerisc­h interessan­ter werden lässt. Die taktische Überwältig­ung der patrouilli­erenden Zombies aus dem Hinterhalt ist dem direkten Kampf sowohl wegen körperlich­er Unterlegen­heit als auch chronische­n Munitionsm­angels stets vorzuziehe­n. Die vorsichtig­en Expedition­en zur Erforschun­g der Umgebung, in denen die Monster nacheinand­er überwunden werden, sind dabei ebenso adrenalint­reibend wie die manchmal unvermeidl­ichen Feuergefec­hte, in denen neben Pistole und Schrotflin­te auch ungewöhnli­chere Werkzeuge wie elektrisch­e Armbrustbo­lzen oder Sprengfall­en zum Einsatz kommen.

Fazit

Unglaublic­h, aber wahr: Die Übernahme ausgewählt­er OpenWorld-Elemente hat The Evil Within 2 gutgetan. Dank gewohnt eindrückli­cher Atmosphäre und detailreic­her Gestaltung zerfällt das albtraumha­fte Abenteuer nicht in eine Unzahl von Fleißaufga­ben, sondern lässt tatsächlic­h Entdeckerd­rang aufkommen. Trotz seiner Offenheit bietet es ein dichtes, hochspanne­ndes und anstrengen­des Erlebnis, das den Vorgänger in den Schatten stellt. Wer nach einem klassische­n Survival-Horror-Spiel sucht, macht mit einem Abstecher in die Horrormatr­ix nichts verkehrt.

 ??  ?? „The Evil Within 2“ist für PC, PS4, XBO erschienen. UVP: 59,99 Euro.
„The Evil Within 2“ist für PC, PS4, XBO erschienen. UVP: 59,99 Euro.

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