Winterliche Schrumpfköpfe
Körper und Schädel der Waldspitzmaus verkleinern sich im Winter um bis zu 15 Prozent. Schuld daran ist deren hoher Energiebedarf.
München/Wien – Spitzmäuse sehen zwar so aus wie Mäuse, die kleinen Insektenfresser sind aber mit den Maulwürfen deutlich enger verwandt. Dass sie heute dennoch die taxonomisch fragwürdige Bezeichnung Spitzmäuse tragen, daran ist kein Geringerer als Adolf Hitler schuld: Als der nämlich 1942 davon Wind kriegte, dass die Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde die Umbenennung in die sinnvollere Bezeichnung „Spitzer“beschloss, ließ Hitler das sofort unter Androhung von längeren Aufenthalten „in Baubataillonen an der russischen Front“rückgängig machen.
Spitzmäuse gehören nicht nur zu den kleinsten, sondern auch zu den gefräßigsten Säugetieren: Finden sie nur zwei bis drei Stunden keine Nahrung, verhungern sie. Entsprechend bleiben die Tiere auch im Winter aktiv und halten keine Winterruhe.
Doch in dieser Jahreszeit nehmen Waldspitzmäuse, die nur rund 13 Monate alt werden, sowohl an Gewicht wie auch an Körpergröße ab, wie der polnische Zoologe August Dehnel bereits in den 1950er-Jahren beobachtete. Javier Lazaro (Max-Planck-Institut für Ornithologie) ging dem nun in einer Studie im Fachblatt Current Biology auf recht aufwendige Weise nach.
Er fing rund um den Bodensee 100 Waldspitzmäuse, vermaß sie, fertigte Röntgenaufnahmen an und stattete sie mit einem reisgroßen Chip aus, um sie bei späteren Vermessungen wiederzuerkennen. Rund ein Drittel der Tiere konnte tatsächlich wieder gefangen und vermessen werden.
Die Ergebnisse waren eindeutig: Alle untersuchten „Spitzer“schrumpften im Winter und wuchsen im Frühjahr wieder. Die Schädelgröße inklusive Inhalt reduzierte sich um bis zu 15 Prozent. Lazaro und seine Kollegen interpretieren dieses Phänomen als bisher unbekannte Strategie von Tieren mit einem hohen Stoffwechsel, den Nahrungsmangel und die niedrigen Temperaturen im Winter zu überleben. (tasch)