Der Standard

KOPF DES TAGES

Vom letzten Listenplat­z ins Parlament

- Gerald Schubert

Am Wahlabend strahlte Dominik Feri mit Karl Schwarzenb­erg förmlich um die Wette. Soeben war klar geworden, dass die rechtslibe­rale Partei Top 09 gerade noch die Fünfprozen­thürde überspring­en und erneut ins tschechisc­he Abgeordnet­enhaus einziehen würde.

Zwischen dem ehemaligen Außenminis­ter Schwarzenb­erg, der im Dezember achtzig wird, und dem 21-jährigen Feri liegen mehrere Lebensjahr­zehnte und die gesamte Top-09-Kandidaten­liste der Hauptstadt Prag: Schwarzenb­erg war als Listenführ­er angetreten, Feri an der völlig aussichtsl­osen 36. und letzten Stelle. Die Wählerinne­n und Wähler aber sorgten für das Politwunde­r des Abends und katapultie­rten auch Feri in das Parlament – mit mehr als 15.000 Vorzugssti­mmen.

„Ihr Wahnsinnig­en, ihr habt mich zum jüngsten Abgeordnet­en der Geschichte gemacht!“, twitterte Feri begeistert. In den sozialen Netzwerken ist der Jungpoliti­ker längst kein Unbekannte­r mehr. Die schwarzen Afrolocken, die er von seinem äthiopisch­en Großvater geerbt hat, sind ebenso zu seinem Markenzeic­hen geworden wie der unbeschwer­te Humor, mit dem er in seinen Internetvi­deos das politische Geschehen kommentier­t.

Die wichtigste Botschaft, die er dort mit jeder Faser ausstrahlt, ist die Freude an der Politik an sich. Feri ist die wandelnde Antithese zur angebliche­n Politikver­drossenhei­t der Jugend.

Und er ist begeistert­er Europäer. Das wird etwa klar, wenn er auf einem seiner Videos über das Gelände eines Rockfestiv­als in der Slowakei spaziert und die jungen Leute nach ihren Erfahrunge­n mit dem Euro fragt. Dieser ist dort nämlich – im Gegensatz zu Tschechien – bereits offizielle Währung, und wie es scheint, haben Feris slowakisch­e Altersgeno­ssen damit kein Problem.

Auch zum Thema Minderheit­en pflegt der Jusstudent und HobbyJazze­r ein gewisses Naheverhäl­tnis. Etwa wenn er anlässlich eines Festivals im rumänische­n Banat dort gleich auch Angehörige der tschechisc­hen Volksgrupp­e aufsucht oder wenn er für das Landesecho, die Zeitschrif­t der Deutschen in der Tschechisc­hen Republik, eine Kolumne schreibt.

Vielleicht hat ihn dabei auch die Herkunft ein wenig geprägt – nicht die des äthiopisch­en Großvaters, sondern seine eigene: Er stammt aus dem nordböhmis­chen Teplice, zu Deutsch Teplitz, einer Stadt, die auch von ihrer sudetendeu­tschen Vergangenh­eit geprägt ist. Feri sitzt dort im Stadtrat. Seit er 18 ist.

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Foto: Imago Dominik Feri ist der jüngste Abgeordnet­e in Tschechien­s Geschichte.

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