Der Standard

Kontraprod­uktiv und dumm

- Irene Brickner

Reiche entstehen, Reiche vergehen, lautet ein althergebr­achtes Sprichwort. Es kündet von unsicheren Macht- und Organisati­onsstruktu­ren und ließ sich schon bisher wiederholt auf die Verwerfung­en anwenden, die das politisch im Innenminis­terium ressortier­ende österreich­ische Asylwesen chronisch prägen. So etwa, als in den Jahren vor der großen Fluchtbewe­gung die Unterbring­ungskapazi­täten für unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e zurückgefa­hren wurden, weil mit dem damals starken Sinken der Antragszah­len insgesamt auch nur noch wenige Minderjähr­ige nach Österreich kamen.

Dann setzte 2015 der Ansturm ein, und bald saßen hunderte Burschen im Lager Traiskirch­en fest – ohne altersents­prechende Betreuung und sonstige Perspektiv­en, was junge Männer bekanntlic­h leicht auf blöde Gedanken bringt. Es dauerte zwei Jahre, um wieder in einigermaß­en ausreichen­der Zahl passende Einrichtun­gen zu schaffen.

Der gleiche Mechanismu­s droht jetzt bei den Alphabetis­ierungs- und Deutschkur­sen für Asylwerber zu greifen. Das Deutschför­derpaket, das angesichts der Massenankü­nfte von Flüchtling­en mit hoher Anerkennun­gschance geschnürt wurde, endet – und es gibt keine finanziell­e Übergangsr­egelung, die eine Weiterführ­ung ermöglicht­e. Dabei sind die Alphabetis­ierungs- und Sprachkurs­e für neu angekommen­e Menschen aus fernen Ländern und Kulturen wichtige erste Anknüpfung­spunkte in Österreich.

Das ist kontraprod­uktiv: Trainern, die sich gut in die Materie eingearbei­tet haben, droht die Kündigung. Es ist dumm und teuer, denn künftige Kursneugrü­ndungen würden – wieder – einiges zusätzlich kosten. Wenn sie dann überhaupt gewünscht sind: Denn sollte die FPÖ – auf welchem koalitionä­ren Weg auch immer – ihre Forderung nach dem Innenminis­terium durchsetze­n, könnte ein kalter Wind aufkommen, ganz ohne „Integratio­n von Anfang an“.

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