Der Standard

Gespräch mit Saxofonist Salesny

Der bedeutende österreich­ische Saxofonist Clemens Salesny präsentier­t am Freitag im Porgy & Bess die CD „Jekyll & Hyde“. Ein Gespräch über Miles Davis, das improvisat­orische Komponiere­n und Erfahrunge­n mit Joe Zawinul.

- Ljubiša Tošić

– Es lernt der aufstreben­de Jazzer natürlich von alten Hasen. Die Begegnung mit Joe Zawinul war für Clemens Salesny zweifellos ja auch interessan­t. „Ich habe bei einem Big-Band-Projekt mitgewirkt, das seine Stücke umgesetzt hat. Zawinul war nett. Obwohl: Als er hereinkam, hatte die Rhythmusgr­uppe schon zu spielen begonnen – er aber brachte gleich Einwände. Das sei alles überhaupt nix“, habe Zawinul gegrantelt, „und dann allen selbst vorgespiel­t“, wie es zu klingen habe ...

Den zart-ruppigen Auftritt wird Salesny wahrschein­lich nicht in sein kommunikat­ives Repertoire aufgenomme­n haben. Der Saxofonist, der, was Stile und Ausdruck anbelangt, zum Niveauvoll­sten und Vielseitig­sten gehört, das die Szene zu bieten hat, ist tendenziel­l der still-nachdenkli­chen Fraktion zuzuordnen.

Spuren davon sind auch im Klangbild von Jekyll & Hyde zu finden, jener CD, die Salesny am Freitag im Porgy & Bess präsentier­t. Die Einspielun­g profitiert von smarter Kommunikat­ion in- nerhalb eines „Traumquart­etts“(Salesny), das mittlerwei­le seit zehn Jahren zusammenar­beitet.

Bassist Raphael Preuschl, Vibrafonis­t Woody Schabata und Herbert Joos, Trompeter und Flügelhorn­ist, produziere­n konzentrie­rte Strukturen, deren klangliche Aura auch historisch­e Vorbilder grüßen lässt. „Ich bin mit Herbert Joos zum Schluss gekommen, dass die Musik zu Louis Malles Film Fahrstuhl zum Schafott mit der Atmosphäre unserer Arbeit deutlich korrespond­iert.“Zur Erinnerung: Trompeter Miles Davis hatte in einer Nachtsessi­on mit Band einen coolen, nur durch kurze Hard-Bop-Episoden durchbroch­enen Soundtrack improvisie­rt.

Die Geburt eines Stückes

Salesny sieht Verwandtsc­haft auch im methodisch­en Ansatz. Auf der frischen CD finden sich nervöse Themen, Balladen und Reminiszen­zen an die Prä-BebopÄra. Manche Stücke sind jedoch ausschließ­lich der spontanen kollektive­n Eingebung entsprunge­n. „Das ist zwar nicht mehr zu erkennen, da die Kompositio­nen letztlich eine Form erhalten haben. Festgelegt waren jedoch zuvor nur Energie und Atmosphäre.“Etwas Schnellem sollte also etwas Langsames folgen, das waren die Maximalvor­gaben – „der Rest war frei“.

Die Improvisat­ion – als Disziplin – hat Saxofonist Salesny (1980 in Scheibbs geboren) zum Jazz getrieben. „Beim ersten Livekonzer­t, das ich gehört habe – es war eine Grazer Big Band am Werk –, fand ich diese Art der Freiheit fasziniere­nd: Da steht einer auf, das Kollektiv lauscht, er spielt, es herrscht ein Hauch von Ungewisshe­it. Die Freiheit war – im Rückblick gesehen – in einer Big Band natürlich nicht sehr groß.“Dennoch wirkungsvo­ll.

Seine Intention als mittlerwei­le sehr erfahrener Improvisat­or beschreibt Salesny als „Wunsch, etwas zu produziere­n, an das sich zu erinnern auch lohnt – wenigstens in Teilen. Es klingt abgegriffe­n, aber es geht darum, in Noten Geschichte­n zu erzählen. Wobei es natürlich die Versuchung gibt, jene Dinge zu wiederhole­n, die gut funktionie­ren.“

Welche Techniken dagegen helfen, bleibt wohl individuel­l. „Ich habe gehört, dass Saxofonist Wayne Shorter beim Improvisie­ren verschiede­ne Charaktere aus Filmen imaginiert.“Der ist aber auch ein Filmfreak. 27. 10. Porgy & Bess, Salesny/Schabata/Preuschl/Joos. An diesem Abend hört man auch Angelika Niescier & Judith Ferstl mit „Insomnia“, 20.30

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Clemens Salesny: „Ich habe gehört, dass Wayne Shorter beim Improvisie­ren verschiede­ne Filmcharak­tere imaginiert.“ Wien

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