Der Standard

Frauen den Rücken stärken

- Colette M. Schmidt

Wahrschein­lich gab es in den 1950er-Jahren Österreich­erinnen, die fanden es gar nicht schlimm, nicht selbststän­dig ein Konto eröffnen zu können. Wie charmant von ihren Männern, das für sie zu erledigen! Sicher gab es in den 1970ern Schweizeri­nnen, die verstanden nicht, was so super am Wahlrecht sein soll. 2017 gibt es in Österreich Frauen, die den Unterschie­d zwischen Avancen eines Mannes, der einem gefällt und den man ermuntert, einem Flirt auf Augenhöhe, und Belästigun­gen und Erniedrigu­ngen nicht verstehen.

Die durch Harvey Weinstein ausgelöste Debatte, die Frauen ermutigt, über sexuelle Übergriffe zu reden, ist wichtig. Wenn sich prominente Frauen aus der Deckung wagen, stärken sie alle, auch jene, die keinen prominente­n Namen tragen. Die etwa für ihren Lebensunte­rhalt putzen gehen oder Übergriffe­n noch hilfloser ausgesetzt sind. Frauen, die das wie Schauspiel­erin Nina Proll, warum auch immer, als Hausiereng­ehen abtun, imponieren höchstens Fans einer „gemäßigten Diktatur“à la Felix Baumgartne­r.

Doch hier geht es um ein Phänomen, das tief in der Ungleichbe­handlung zwischen den Geschlecht­ern wurzelt. Man muss nicht selbst begrapscht werden und nicht selbst gegrapscht haben und hat doch Nach- oder Vorteile aus dem System. „Es ist kein System, aus dem man sich freikaufen kann.“Das hat der Soziologe Michael Kimmel gesagt. Er ist Feminist. Man kann seine Bücher kaufen. Und lesen.

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