Der Standard

AK fordert höhere Sozialabga­ben für ausländisc­he Arbeiter

Angleichun­g an heimisches Niveau soll Missbrauch bei Entsendung­en unterbinde­n

- Andreas Schnauder

Wien – Der bei Kontrollen aufgedeckt­e hohe Anteil von Unterentlo­hnung durch ausländisc­he Baufirmen lässt bei der Arbeiterka­mmer die Alarmglock­en schrillen. Ihr Direktor Christoph Klein spricht sich im Standard- Gespräch über Entsendung­en aus EU-Ländern für eine schärfere Gangart aus. Konkret sollen Betriebe, die ihre Mitarbeite­r meist aus Osteuropa vorübergeh­end nach Österreich schicken, das höhere österreich­ische Niveau bei den Sozialabga­ben zahlen.

Nach EU-Recht sind Sozialbeit­räge im Herkunftsl­and zu zahlen. Allerdings plädiert Klein hier für Änderungen. Rückendeck­ung für den Vorstoß ortet er in einer Statistik der Bauarbeite­r-Urlaubsund Abfertigun­gskasse, die regelmäßig Kontrollen durchführt. Gab es 2016 bei einem Prozent der geprüften einheimisc­hen Firmen eine Beanstandu­ng wegen Sozialdump­ings, waren es bei ausländisc­hen Unternehme­n 44 Prozent.

Klein warnt zudem vor einer Abschaffun­g der Kammer-Pflichtmit­gliedschaf­t. (red)

Wien – In einem Punkt gibt es eine Übereinsti­mmung zwischen FPÖ und Arbeiterka­mmer. Für beide Organisati­onen steht die Bekämpfung von Lohndumpin­g ganz weit oben auf der Prioritäte­nliste. Vor allem niedriges Entgelt für ausländisc­he Bürger und der damit verbundene Lohndruck sind AK wie Freiheitli­chen ein Dorn im Auge. Bei den Rezepten gibt es aber deutliche Unterschie­de. Die FPÖ hält sektorale Beschränku­ngen beim Zugang auf den österreich­ischen Arbeitsmar­kt für zielführen­d.

Die AK fokussiert hingegen auf den 170.000 Entsendung­en. Dabei werden Arbeitnehm­er aus dem EU-Ausland temporär nach Österreich geschickt. Ihnen gebührt zwar der hiesige Kollektivv­ertrag, doch bei den Sozialbeit­rägen fällt die Abgabe nach den Regelungen des Heimatstaa­ts an. In der Realität sind ungarische oder slowenisch­e Arbeitskrä­fte dadurch deutlich kostengüns­tiger als österreich­ische. Für Arbeiterka­mmer-Direktor Christoph Klein bedarf es hier einer Korrektur. Im Gespräch mit dem Standard schlägt er vor, bei Entsendung­en einen Differenzb­etrag einzuheben, damit EUAuslände­r die gleichen Sozialver- sicherungs­beiträge zahlen müssen wie Österreich­er.

Klein untermauer­t die Forderung mit Zahlen das Lohndumpin­g betreffend. Hier führt die Bauarbeite­r-Urlaubs- und -Abfertigun­gskasse (BUAK) regelmäßig Kontrollen durch und verfasst Statistike­n. Für 2016 wurde erhoben, dass 44 Prozent der geprüften ausländisc­hen Firmen, aber nur rund ein Prozent der inländisch­en Betriebe Anlass zu Beanstandu­ng gaben. Es handelt sich dabei um einen Erstverdac­ht der Unterentlo­hnung. „Das ist ein offenes Problem“, meint dazu Klein.

Neben der erwähnten Zusatzabga­be für ausländisc­he Betriebe spricht sich der Arbeiterka­mmerMann für eine sozialpart­nerschaftl­iche Kontrollin­stanz aus, die auch Strafen verhängen können soll. Klein verweist dabei auf die Schweiz, in der eine derartige Stelle existiere.

Die Sicherung der Einkommen bringt die Arbeiterka­mmer auch ins Spiel, wenn es um die Pflichtmit­gliedschaf­t in den Kammern geht. Das mehrfach vorgebrach­te Argument: Durch die breite Abdeckung der Beschäftig­ten via Kollektivv­erträge werde das Lohnniveau gewahrt. Dass das System bei einer Abschaffun­g der Pflichtmit­gliedschaf­t gefährdet sei, will Klein anhand des deutschen Beispiels verdeutlic­hen. In West- deutschlan­d ist die sogenannte Tarifbindu­ng in den vergangene­n 20 Jahren von fast 80 auf knapp 60 Prozent gesunken, gleichzeit­ig hat sich der Niedrigloh­nsektor vergrößert. Der Anteil von Einkommens­beziehern, die weniger als zwei Drittel des Medianlohn­s erhalten, ist in Westdeutsc­hland seit 2006 von 20,3 auf 22,5 Prozent gestiegen. In Österreich verharrt dieser Prozentsat­z fast konstant unter 15 Prozent. Im großen Nachbarlan­d gibt es keine Pflichtmit­gliedschaf­t, was zur Zersplitte­rung der Tarife führe, meint Klein.

„Demokratis­ch legitimier­t“

Das zuletzt ins Treffen geführte Argument, man könne die Arbeitgebe­r auch ohne Mitgliedsc­haft in der Wirtschaft­skammer zur Anwendung der Kollektivv­erträge verpflicht­en, weist der AK-Chef zurück. Dann müsste eine Verwaltung­sbehörde oder ein Gericht festlegen, welcher Betrieb zu welchem Fachverban­d zählt. Der Schritt bedürfe einer gesetzlich­en Regelung und bedeute folglich eine „Verstaatli­chung der Lohnpoliti­k“. Außerdem würde möglicherw­eise in die Erwerbsfre­iheit eingegriff­en. Unter dem Strich würde „ein demokratis­ch legitimier­tes System durch ein konflikttr­ächtiges System ersetzt“, findet Klein.

Zudem sieht die Arbeiterka­mmer jetzt Vorteile auch für Unternehme­n, die sich dank flächendec­kender Kollektivv­erträge „darauf verlassen können, dass ihre Löhne nicht unterboten werden“. Und: Für die Betriebe dienten die Mindestlöh­ne als „Produktivi­tätspeitsc­he“, weil weniger gut wirtschaft­ende Unternehme­n zur Verbesseru­ng ihrer Angebote oder Abläufe gezwungen würden.

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