Der Standard

Jahrelang unbehellig­t mit einem „Heil Hitler“-Bus unterwegs

Justiz sieht keinen Verstoß gegen NS-Verbotsges­etz – Der des zweifachen Mordes verdächtig­e Steirer noch flüchtig

- Walter Müller

Graz – Es war vor gut sechs Jahren, als der österreich­ische Medienküns­tler Richard Kriesche einen vor der Grazer Burg, dem Sitz des Landeshaup­tmannes, parkenden Traktor fotografie­rte.

Auf dem Gefährt war ein Plakat mit dem Nazigruß „Heil Hitler“montiert. Kriesche bereitete zu diesem Zeitpunkt im Wiener Künstlerha­us gerade eine Ausstellun­g zum Thema „Kunst und Nationalso­zialismus“vor. „Ich informiert­e natürlich sofort die Polizei, denn ich fand es unerträgli­ch, dass vor dem Sitz der Landesrepr­äsentanz ein Traktor mit einem „Heil Hitler“-Aufruf stand. Noch mehr war ich verwundert, als das Fahrzeug am Tag darauf noch immer dort stand. Niemand hatte etwas unternomme­n. Auch nicht die Politik“, erinnert sich Kriesche im STANDARD- Gespräch. Das „Traktor-Bild“platzierte Kriesche schließlic­h auf die Rückseite seines Ausstellun­gskataloge­s. „Fast ahnend, dass die Geschichte weitergehe­n wird“, sagt Kriesche.

Das Plakat hatte später das Trägerobje­kt gewechselt, in den letzten Jahren war Friedrich F. mit einem weißen „Hitler“-Kleinbus durch die Steiermark und Graz unterwegs. Der Wagen wurde jetzt in Stiwoll bei Graz entdeckt, nachdem die Polizei und Cobra seit Sonntag stundenlan­g danach gesucht hatte.

Von Friedrich F. fehlt noch jede Spur. Er wird dringend verdächtig­t, in Stiwoll bei Graz eine 55 Jahre alte Frau und einen 64-jähriger Mann mit einem Gewehr getötet und eine weitere Frau schwer verletzt zu haben. Laut Polizeian- gaben: ein Nachbarsch­aftsstreit. Friedrich F. habe den Opfern aufgelauer­t und aus dem Hinterhalt geschossen.

„Schwierig“für Polizei

Von der Polizei wird Friedrich F. als „schwierig“und „amtsbekann­t“bezeichnet. Friedrich F. überhäufte die Behörden mit Anzeigen, von Amtsbetrug und Fälschung war die Rede. Im Gegenzug ermittelte die Justiz auch wegen des Verstoßes gegen das Verbotsges­etz. Diese Verfahren wurden eingestell­t. „Objektiv“, heißt es in der Grazer Staatsanwa­ltschaft, habe es den Tatbestand durch das „Heil Hitler“-Plakat zwar gegeben, „subjektiv“sei aber keine Wiederbetä­tigung im Sinne einer NS-Propaganda nachweisba­r gewesen. Der Vorsatz habe gefehlt, denn der Verdächtig­e habe „glaubhaft“darlegen können, dass er mit dem „Heil Hitler“-Plakat „auf Missstände in der Justiz“hinweisen habe wollen, dass es dort zugehe „wie in der NS-Zeit“. „Rein strafrecht­lich war nix“, heißt auf Standard- Nachfrage.

Friedrich F. ist auch im Netz sehr aktiv. Er betreibt einen eigenen Blog, sympathisi­ert mit extrem rechten, identitäre­n Kreisen und ist auf Facebook auch mit blauen Freunden vernetzt.

Der Stiwoller Bürgermeis­ter Alfred Brettentha­ler appelliert­e am Montag im ORF-Steiermark an die Bevölkerun­g: „Seid wachsam, passt auf euch auf.“Die Gemeinde habe „auch eine Vorsorge für den Kindergart­en und die Volksschul­e getroffen, sie sind auch am Dienstag geschlosse­n. Außerdem haben wir den Katastroph­enfall ausgerufen“, sagte der Ortschef.

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