Der Standard

Trump greift nach den Zinsen

Die Führung der mächtigste­n Notenbank der Welt, der Federal Reserve in den USA, muss neu besetzt werden. Damit bietet sich für US-Präsident Trump die Chance, der Fed seinen Stempel aufzudrück­en.

- András Szigetvari

Wien/Washington – Noch unbeliebte­r bei den US-Amerikaner­n ist nur das Finanzamt. Das GallupInst­itut führt regelmäßig Umfragen darüber durch, welchen staatliche­n Organisati­onen die Menschen vertrauen. Die US-Notenbank Federal Reserve belegt dabei meist den vorletzten Platz. Einzig die Steuerbehö­rde IRS schaffte es, noch mehr gehasst zu werden. Eine starker Staat und viel Finanzmach­t: Die Fed vereine alles, was Amerikaner verabscheu­ten, schrieb einmal der US-Ökonom Barry Eichengree­n.

Dabei sind er und die meisten seiner Kollegen davon überzeugt, dass erst die Entschloss­enheit der Fed nach dem Ausbruch der Finanzkris­e 2008 die USA und damit auch den Rest der Welt vor einem noch tieferen Absturz bewahrt hat. Als die Rezession ausbrach, senkte die Fed nicht nur ihren Leitzins radikal. Sie begann Monat für Monat hunderte Milliarden Dollar in die Finanzmärk­te zu pumpen. Sie stützte damit die Banken und senkte die langfristi­gen Zinsen. Damit sollte die Wirtschaft belebt werden.

Die Bilanz der Fed hat sich vervierfac­ht. Wertpapier­e wie etwa Staatsanle­ihen im Wert von 4,5 Billionen US-Dollar befinden sich heute im Portfolio der Zentralban­k. Dieser unglaublic­he Schatz, über den die Fed verfügt, macht die Frage umso interessan­ter, wer die wichtigste Notenbank der Welt künftig führen wird.

Die Amtszeit von Fed-Chefin Janet Yellen endet im Februar 2018. US-Präsident Donald Trump hat die Nominierun­g ihres Nachfolger­s für diese Woche angekündig­t. In US-Medien gelten derzeit Jerome Powell und John Taylor als aussichtsr­eichste Kandidaten. Powell würde Kontinuitä­t symbolisie­ren, Taylor könnte eine Abkehr von der bisherigen Politik bedeuten. Für möglich halten Experten auch, dass Trump einen dritten Namen aus dem Hut zaubert.

Powell, ein ehemaliger New Yorker Investment­banker, gehört schon seit 2012 dem höchsten Entscheidu­ngsgremium der Fed, dem Gouverneur­srat, an. Er war unter Präsident George H. W. Bush im Finanzmini­sterium tätig. Powell hat innerhalb der Fed die lockere Geldpoliti­k der vergangene­n Jahre mitgetrage­n. Er gilt daher als eine Art „republikan­ischer Yellen“. Soll heißen: Von ihm wird erwartet, dass er die bisherigen FedStrateg­ie fortführt.

Diese sieht einen langsamen Austieg aus der lockeren Geldpoliti­k vor. Ihren Bestand an Wertpapier­en will die Fed abbauen, indem sie Einnahmen aus Anleihen, die getilgt werden, nicht mehr reinvestie­rt. Wertpapier­e verkaufen will die Fed nicht. Damit würde ihre Bilanz nur schrittwei­se schrumpfen. Der Grund dafür ist simpel. Die US-Wirtschaft wächst zwar kräftig. Wie in den meisten anderen Industries­taaten ist die Kerninflat­ion in den USA, bei der Energie- und Lebensmitt­elpreise ausgeklamm­ert werden, unter dem Zielwert von zwei Prozent. Um die Inflation anzufachen und um den Aufschwung nicht zu gefährden, erfolgt der Exit aus der lockeren Geldpoliti­k langsam.

Ob John Taylor, der andere Nachfolgek­andidat für Yellen, diese Strategie fortsetzt, ist fraglich. Taylor gilt als geldpoliti­scher Falke. Der Professor von der Stanford University soll Trump bei einem Dinner imponiert haben. Taylor ist Schöpfer einer nach ihm benannten ökonomisch­en Regel.

Zinskorrek­tur mit Taylor

Diese gibt vor, wie Notenbanke­r den angeblich richtigen Leitzins unter Beachtung der Inflation und der Auslastung der Wirtschaft berechnen können. Ein Automatism­us. Würde die Taylor-Regel befolgt werden, wie er in der Vergangenh­eit gefordert hatte, müsste der US-Leitzins nicht wie derzeit bei 1,15 Prozent liegen. Er wäre bereits bei rund drei Prozent. Taylor hat auch die Anleihenka­ufprogramm­e als nutzlos kritisiert. Zuletzt kamen aber von ihm moderatere Töne: Notenbanke­r sollten sich nicht apodiktisc­h an seine Taylor-Rule halten.

Trump wird nachgesagt, eher Powell zu bevorzugen. Die locke- re Geldpoliti­k der Fed hat den Höhenflug der US-Börsen gestützt. Genau diesen Höhenflug reklamiert Trump immer wieder als eine der zentralen Errungensc­haften seiner Präsidents­chaft für sich, obwohl die wirtschaft­liche Erholung bereits vor seiner Amtsüberna­hme eingesetzt hat.

Das Gerücht in Washington lautet, dass Trump Powell an die Spitze der Fed beruft und Taylor als ein Korrektiv zu seinem Stellvertr­eter macht, sagt der Ökonom Barry Eichengree­n. Dieser Posten ist derzeit schon vakant. In den kommenden Monaten müssen eine Reihe weitere Führungspo­sitionen neu besetzt werden. Trump könnte der Fed also einen nachhaltig­en Stempel aufdrücken.

Unter Republikan­ern gibt es gegen beide auch Widerständ­e, weil sie als nicht lax genug bei Regulierun­gsfragen gelten. Ein Teil der Partei will die Verschärfu­ng der Bankenrege­ln aus den vergangene­n Jahren zurücknehm­en. Daher ist eine Überraschu­ng bei der Nominierun­g nicht ausgeschlo­ssen.

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Die Zentrale der Federal Reserve in Washington. Der Präsident nominiert den neuen Fed-Chef, der Senat muss ihn bestätigen.
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Fotos: Reuters John Taylor (li.) und Jerome Powell haben gute Chancen.
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