Daten her oder draußen bleiben!
Im Internet gilt eine neue Währung. Nicht von Bitcoin ist die Rede, sondern von Nutzerdaten. Wer einen Dienst verwenden will, muss etwas von sich preisgeben. Und das ist zunehmend nicht nur im Netz so.
Wien – Nutzerdaten sind für Unternehmen sehr wertvoll. Denn damit lässt sich personalisierte Werbung schalten. Marketingaktionen werden genauer auf Personen zugeschnitten und – so die Hoffnung – effektiver. Immer öfter kommt es aber vor, dass man einen Dienst nicht in Anspruch nehmen kann, stimmt man der Datensammlung nicht zu.
Was uns Nutzer interessiert, erkennen Werber anhand verschiedener Faktoren. Welche Websites besucht wurden, welche Facebook-Seite einem gefallen hat oder welche Warengruppen in einem Shop bestellt wurden. Diese Daten werden über Tracking-Skripts erhoben, die auf Websites eingebettet sind. Seit einigen Jahren ist es in der EU Pflicht, dass WebsiteBetreiber darauf hinweisen, wenn Tracking-Cookies zum Einsatz kommen. Mit Browser-Erweiterungen können Nutzer eine Seite danach scannen und die Tracker blockieren. Die Datensammlung lässt sich einschränken.
Nutzern bleibt oft keine Wahl
Bei Daten, die ein Onlinedienst von seinen registrierten Mitgliedern sammelt, ist die Sache etwas anders gelagert. Denn hier bleiben Nutzern meist nur zwei Optionen: die Datensammlung akzeptieren oder den Dienst nicht verwenden. Und das ist zunehmend nicht mehr nur auf Onlinedienste beschränkt. Immer mehr Anbieter verschiedener Dienstleistungen und Produkte verlangen eine Registrierung – etwa Fahrdienste wie Uber oder der erste Wiener Flatrate-Supermarkt. Seine Mitglieder zahlen 9,90 Euro im Monat und können sich dafür 20 Produkte aussuchen. Für die Anbieter ein ideales Tool zur Marktforschung. Das Unternehmen weiß stets, wann wer welche Produkte kauft. Dabei wird jedoch betont, dass man sich bereits an die die neue Datenschutzgrundverordnung halte und keine personenbezogenen Nutzerprofile erstelle. Die Verordnung tritt 2018 in Kraft und soll personenbezogene Daten besser schützen.
Aber ist es überhaupt schlimm, wenn bestimmte Daten von Nutzer gesammelt werden und diese dafür ein Produkt kostenlos oder günstiger erhalten? Abgesehen davon, was mit den Daten passiert, ist es eine Frage des Gleich- gewichts. „Die größte Gefahr ist, dass die Gegenleistung nicht stimmt – also alles preiszugeben und nichts oder viel zu wenig dafür zu erhalten“, sagt Viktor MayerSchönberger zum STANDARD. Der Jurist beschäftigt sich damit, wie Daten den Markt verändern. Gemeinsam mit Co-Autor Thomas Ramge kam im Oktober sein neues Buch Das Digital heraus. Die Gefahr einer Schieflage ortet MayerSchönberger weniger bei Anbietern wie Google, Apple oder Amazon. Das komme eher in konventionellen Sektoren wie im Bankenbereich, Mobilfunkmarkt oder bei Energieversorgern vor. Bei Smart Meters etwa gebe es „eklatant zu wenig an Gegenleistung für die reichen Datenschätze, die hier von den KundInnen abgegriffen werden“, so der Jurist.
Nutzer müssten also bei jedem Dienst und jedem Produkt, das Daten überträgt, sämtliche Geschäftsbedingungen und Datenschutzbestimmungen durchlesen und abwägen, ob sie genügend Gegenleistung erhalten. Keine praktikable Lösung.
Keine digitalen Eremiten
Muss man sich für Datenschutz aus der digitalen Welt zurückziehen? Für den Juristen zeigt sich, dass Leute, die am sozialen Leben teilhaben wollen, nicht zu digitalen Eremiten werden können. Das habe bereits das Volkszählungsurteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts von 1984 gezeigt. Es gilt als wichtige Errungenschaft im Datenschutz und schuf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Menschen können selbst bestimmen, welche Daten für welchen Zweck gesammelt werden dürfen. Nur ist das heute in der Praxis kaum durchzusetzen – Nutzer können beispielsweise nicht die Datenschutzbestimmungen bei Eröffnung eines Bankkontos aushandeln. Datenschutz muss für den Experten daher neu gedacht werden – als Verpflichtung der Datennutzer im Umgang mit den Informationen.