Der Standard

Politikerd­okus liegen im Trend

Dokumentar­filme über Politiker liegen im Trend. Sie zeigen, wie das gewünschte Image beim Wählervolk ankommt. Auf dem Filmfestiv­al im tschechisc­hen Jihlava gab es Beispiele zu sehen: von Emmanuel Macron bis zum AfD-Politiker Jörg Meuthen.

- Dominik Kamalzadeh aus Jihlava

Es gehe darum, ein Dreieck zu bilden, sagt der aufstreben­de Präsidents­chaftskand­idat mit Nachdruck. Eine klare, positive Haltung gegenüber den Flüchtende­n, ein ebenso unmissvers­tändliches Signal, was die Frage der Sicherheit anbelangt, und drittens das Bekenntnis zur freien Marktwirts­chaft in Europa. Als Emmanuel Macron eines der Rezepte formuliert, das ihn zum jüngsten Repräsenta­nten Frankreich­s werden ließ, klingt es, als hätte er dies gerade erfunden, so nebenbei, in einer der vielen Sitzungen zwischen Wahlkampfa­uftritten.

Überhaupt festigt sich in Macron: Hinter den Kulissen des Sieges von Yann L’Hénoret der Eindruck, dass der damals 38-jährige Shootingst­ar nie Atem holt: Jedes Problem wird umgehend aus dem Weg geräumt, jeder Neuentwick­lung mit einem Schachzug begegnet. Manchmal ist er allenfalls ein wenig heiser. Der Weg an die Spitze, meint man am Ende dieses rasant geschnitte­nen Films, war eigentlich unausweich­lich.

Yann L’Hénorets Film bildete am Samstag den Abschluss des 21. Filmfestiv­als im tschechisc­hen Jihlava, einem Fixpunkt für dokumentar­ische Mischforma­te in Zentraleur­opa (der Film ist auch auf Netflix abrufbar). Nahaufnahm­en der Politik sind längst ein Standard dieser Gattung, doch gegenwärti­g scheint sie einen regelrecht­en Boom zu erleben.

Mit Sicherheit auch eine Reaktion auf die populistis­che Zuspitzung in der (Bilder-)Politik: Neben dem Film über Macron, den ein affirmativ­er Blick umschmeich­elt, gab es in Jihlava auch weniger freundlich­e über Donald Trump und Ronald Reagan, den deutschen AfD-Politiker Jörg Meuthen oder den ehemaligen slowakisch­en Ministerpr­äsidenten Vladimír Mečiar zu sehen.

Homestory im Weißen Haus

Ein Rückblick auf Reagan ist deshalb so lohnend, weil die Medialisie­rung eines Politikeri­mages hier erstmals so große Bedeutung erfuhr. Reagan gab es praktisch als Homestory aus dem Weißen Haus, machen die Filmemache­r Pacho Velez und Sierra Pettengill in The Reagan Show deutlich.

Sie zeigen auch die Schnipsel, die nie an die Öffentlich­keit gin- gen, etwa Reagans Wahlempfeh­lung für einen Republikan­er aus New Hampshire, dessen Namen ihm nicht über die Lippen gehen will, weil er ihn offenbar gar nicht kennt. „Trust, but verify“, ein russisches Sprichwort, wiederholt­e der Exschauspi­eler dann so oft rund um seine Gipfeltref­fen mit Gorbatscho­w, bis sich dieser einmal selbst darüber lustig machte. Reagan leicht beschämt: „I like it.“

Je länger man in The Reagan Show hinter die Kulissen schaut, desto mehr meint man, einen Blick auf einen Darsteller ohne Rolle zu erhaschen. Der erzählt gern halblustig­e Witze und lässt mitunter etwas unbeholfen die Arme aus karierten Hemden bau- meln. Dass der Wettlauf mit Gorbatscho­w nicht nur einer um Popularitä­tswerte war, gilt als gesichert; dennoch kann man in dieser Collage offen sehen, in welchem Ausmaß sein Narzissmus Ronald Reagan angetriebe­n haben muss.

Eitelkeit mag auch im Spiel gewesen sein, als der AfD-Politiker Jörg Meuthen dem Filmstuden­ten Marc Eberhardt die Zustimmung gab, seinen Wahlkampf in BadenWürtt­emberg aus größter Nähe zu begleiten. Meuthen, vor seiner Kandidatur Wirtschaft­sprofessor, ist ein Wolf im Schafspelz, der bei jeder Gelegenhei­t versucht, die Nähe seiner Partei zu rechtsextr­emem Gedankengu­t zu relativie- ren. Mit dem Gestus eines freundlich­en Durchschni­ttsdeutsch­en, der selbst Demonstran­ten gesprächsb­ereit entgegentr­itt, fischt er nach Stimmen im unzufriede­nen Teil der Mitte.

Das macht Eberhardts Zugang umso spannender, als hier ein neuer Stil des Rechtspopu­lismus zutage tritt, der die radikale Zuspitzung nicht mehr braucht, diese höchstens insinuiert. Meuthen’s Party entlarvt die Strategie, indem er zeigt, dass hinter dieser Inszenieru­ng, dem Tonfall der Anteilnahm­e und dem Spiel mit dem Ungefähren die alte nationale Ideologie lauert. Meuthen weißt bloß, dass man sie anders verpacken muss.

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