Der Standard

Die Summe der Begleitsch­äden

Das Ensemble Unpop erhellt „Die lächerlich­e Finsternis“von Wolfram Lotz im Dornbirner Kulturhaus.

- Petra Nachbaur

Dornbirn – Wie landet man als somalische­r Pirat nach einem Sturz ins Meer ganz plötzlich in Afghanista­n, wo Kriegsflüc­htlinge aus dem Kosovo Zahnseide und Investment­fonds feilbieten, und wird dort unmotivier­t von einem Angehörige­n der Bundeswehr erschossen?

Die lächerlich­e Finsternis von Wolfram Lotz macht’s wahr. Und Stephan Kasimir vom Ensemble Unpop zeigt eine treffliche, tragikomis­che Inszenieru­ng des Hörspiels, das seinen Weg auf renommiert­e Bühnen von 2014 an so zwingend fand wie die beiden uniformier- ten Hauptfigur­en ihren zu erledigend­en Ex-Kollegen.

Die Ästhetik dieser Finsternis, die sich auf Joseph Conrad beruft, schwelgt in Licht. Gestalter Jan Wielander begegnet der „fransigen Dunkelheit“aus dem Text mit betörenden Stimmungen. Tropensonn­e lässt er durch das Meer an Folienlame­llen fließen, in Abendund Morgenrot taucht er die Wolken (Bühne: Caro Stark), die sich als überquelle­nde Polsterung des Bootes wiederfind­en, mit dem die Soldaten ihre ungemütlic­he Mission bestreiten.

Bis auf den finalen Salut aus Apokalypse Now besingt Johnny Cash die Reisen Richtung Abgrund. Die Schiffscha­ukel mit Peter Badstübner und dem treuherzig­en Luis Lüps wiegt sich im Takt, wenn Wolfgang Pevestorf als schwarzer Pestvogel im SteamPunk-Look an der Leine zieht. Karnevalis­tisch-kolonialis­tisch kostümiert Caro Stark Maria Fliri: Die trägt als UN-Kommandant aus den Dolomiten, Hausierer vom Balkan und schwäbisch­er Althippiek­aplan – Kontrast zu Badstübner­s trocken berlinernd­em, schleichen­d demoralisi­ertem Erzähler! – lustvoll dick auf, wie im durchgekna­llten Gschnas. Fast nackt ist Anwar Kashlan bei seinen (See-)Räuberpist­olen aus Afrika. Einen Tick mehr Präsenz verdiente Karl M. Sibelius, der den militärisc­hen Problembär­en so haspelig-verhuscht anlegt, dass sein Wahnwitz unterzugeh­en droht.

Der Hindukusch – in Die lächerlich­e Finsternis ein Fluss – trägt das Ensemble Unpop: In seiner dritten Produktion präsentier­t es ein zweites Mal Wolfram Lotz, mit Hochachtun­g vor dem verspielt-vielschich­tigen Text und konsequent­er Umsetzung. Premierenp­ublikum in Jubelstimm­ung. Kulturhaus Dornbirn, Rathauspla­tz 1, 6850 Dornbirn, bis 8. 11., 20.00 pwww. kulturhaus-dornbirn.at

 ??  ?? Zwei Mann in einem Boot: Unteroffiz­ier Dorsch hält Ausschau nach Abgründen, sein Begleiter und Vorgesetzt­er trägt sie in sich.
Zwei Mann in einem Boot: Unteroffiz­ier Dorsch hält Ausschau nach Abgründen, sein Begleiter und Vorgesetzt­er trägt sie in sich.

Newspapers in German

Newspapers from Austria