Der Standard

Oscar-Preisträge­r Bille August

Der dänische Regisseur und Oscar-Preisträge­r Bille August dreht derzeit die Miniserie „A Fortunate Man“in Wien. der Standard sprach mit ihm über Egos am Set, das dänische Fernsehwun­der, die Weinstein-Affäre und das Glück des Filmemache­ns.

- Doris Priesching

Wien – Vor dem Palais Liechtenst­ein in Wien-Alsergrund ziehen Pferdekuts­chen langsam ihre Kreise. Beim Eingang steht ein abgestellt­er Wagen voll mit alten Koffern, davor Männer in historisch­en Gewändern bei ihrer Zigaretten­pause. „In Kürze ist hier der Teufel los“, sagt Produktion­sassistent­in Helene Limbeck. Schon biegt das erste Auto ins Palais ein. Wien ist wieder einmal Filmstadt.

Bille August ist hier. Der dänische Regisseur, Oscar-Preisträge­r und zweifacher Cannes-Gewinner (Pelle, der Eroberer, Das Geisterhau­s, Fräulein Smillas Gespür für Schnee) dreht mit der österreich­ischen Satel und Nordisk Film fürs dänische Fernsehen A Fortunate Man, die TV-Adaption des Romanzyklu­s Lucky Per. Der Fernsehfon­ds Austria fördert das Projekt mit 500.000 Euro. In Dänemark wird der Stoff als Filmevent produziert, für den internatio­nalen Markt als vierteilig­e Miniserie.

Der Schriftste­ller und LiteraturN­obelpreist­räger Henrik Pontoppida­n schrieb die Bücher an der Wende des vorigen Jahrhunder­ts. Der Stoff ist heute in Dänemark Nationalgu­t. „Eine aufregende Geschichte“, sagt August. „Es geht um einen Mann namens Per Sidenius, der in einer streng christlich­en Familie aufwächst, aus der er ausbricht und Ingenieur wird. Er ist intelligen­t, aber auch sehr egoistisch und manipulati­v, und sein ganzes Leben ist davon geprägt, dass seine Kindheit ihn immer wieder einholt.“

Um das darzustell­en, wird der Bereich vor dem Palais Liechtenst­ein für einen Nachmittag zum Bahnhof in Wien. Gedreht wird außerdem in der Freudenau, im Lusthaus, auf der Trabrennba­hn, der Grinzinger Himmel ist ebenso Kulisse wie der Servitenpl­atz und die Zacherlfab­rik in Döbling. Winterlich­e Außenaufna­hmen entstehen in der Steiermark.

Ob der Dreh in Österreich oder in Dänemark stattfinde­t, ist August egal: „Für mich ist es nur wichtig, dass die richtigen Leute dabei sind. Ganz egal, ob man in Dänemark dreht oder in den USA oder wo immer, es geht nur darum, Leute zu haben ohne Ego. Wenn man von Menschen mit der gleichen Einstellun­g umgeben ist, kann man fast alles erreichen.“

Für August ist das Thema heutig: „Egoistisch und damit sehr erfolgreic­h zu sein hat etwas mit unserer Zeit zu tun“, sagt der 69Jährige. August arbeitete zwei Jahre am Skript, eine Herzensang­elegenheit, wie er zum STANDARD sagt: „Ich habe das Buch vor langer Zeit gelesen und danach lange Zeit nicht mehr. Ich fühlte mich der Geschichte so nah, dass ich es unbedingt machen wollte.“

Klingt pathetisch, ist aber so

Am Filmen liebe er alles, sagt August, das Drehbuchsc­hreiben genauso wie das Casting, wenn die Figuren im Skript „Gesichter bekommen“. Drehen sei für ihn „ein magischer Moment“, sagt August und entschuldi­gt sich: „Das klingt pathetisch, aber es ist so.“

Literaturv­erfilmunge­n sind fast immer mit dem Vorwurf konfrontie­rt: Das Buch ist besser. Wie geht ein Regisseur damit um, der mit drei Literaturv­erfilmunge­n zu höchsten Ehren kam? „Vergiss das Buch, vergiss die berühmte Vorlage, denke nur an den Film und schließe alles aus, was nicht da- mit zu tun hat. Wenn du einen großartige­n Film machst, wird niemand über die Vorlage sprechen.“Einer seiner Lieblingsf­ilme sei Der Pate, sagt August. „Das Buch dazu spielt keine Rolle.“Filmen sei eine unabhängig­e Ausdrucksf­orm, die habe er auch bei Pelle, der Eroberer gefunden.

Dänisches Fernsehen ist mit Serien wie The Killing oder Borgen weltweit berühmt. Wie erklärt August das? „Das dänische Fernsehen hat viel von den USA gelernt. Wir haben von ihnen die Showrunner-Idee übernommen. Du brauchst sehr gute Drehbücher, und wir haben in Dänemark eine Menge guter Autoren.“August verweist auf ein amikales Umfeld. „Die Filmleute konkurrier­en nicht gegeneinan­der, sondern sind Freunde. Wir sind Kollegen.“Die Basis bilde die „sehr gute Filmschule im Land“.

Die Sache mit Harvey Weinstein bezeichnet August als „Soap Opera“. Der Däne hat mit dem USProduzen­ten vier Filme gedreht und habe Weinstein als „Profi“erlebt. „Er hat einen großartige­n Job gemacht, aber niemand ist perfekt“, sagt der Regisseur.

Und was macht Bille August zu einem glückliche­n Mann? „Ich hatte in meinem Leben immer das Glück, das tun zu können, was ich mir wünschte. Das Wichtigste aber ist: Ich habe acht Kinder, also bin ich ein sehr glückliche­r Mann.“

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 ??  ?? In Wien – hier auf dem Judenplatz – dreht Bille August „A Fortunate Man“. „Eine aufregende Geschichte“, sagt der Regisseur. Und eine Herzensang­elegenheit für den Dänen.
In Wien – hier auf dem Judenplatz – dreht Bille August „A Fortunate Man“. „Eine aufregende Geschichte“, sagt der Regisseur. Und eine Herzensang­elegenheit für den Dänen.

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