Der Standard

Fetisch Nulldefizi­t

- András Szigetvari

In den Köpfen einiger Politiker und Ökonomen spukt es. Ein Geist aus alten Tagen ist zurück: das Nulldefizi­t. Dieses Konzept, das einst Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser für Österreich propagiert­e, hat die schwarz-blaue Landesregi­erung in Oberösterr­eich soeben für sich entdeckt. 2018 wollen die Oberösterr­eicher keine neuen Schulden mehr machen. Der Chef des Fiskalrats, Bernhard Felderer, ermahnt die Koalitions­verhandler von ÖVP und FPÖ dazu, diesem Pfad im Bund zu folgen. In Zeiten der Hochkonjun­ktur solle ein Nulldefizi­t erreicht werden, um für schlechter­e Zeiten vorzubauen, so Felderer.

Doch ist ein Nulldefizi­t für Österreich sinnvoll? Bei näherer Betrachtun­g spricht alles dafür, das Konzept weiter auf dem Friedhof für politische Ideen zu belassen.

Eine zentrale Variable, um die Finanzsitu­ation eines Landes zu bewerten, ist das Verhältnis der Schulden zur Wirtschaft­sleistung. Dieser Vergleich sagt etwas darüber aus, wie nachhaltig die Finanzen eines Landes aufgestell­t sind. Einem schnell wachsenden Land mit sprudelnde­n Steuereinn­ahmen und höheren Schulden wird jeder Investor eher Geld borgen als einem Land, das zwar wenig Verbindlic­hkeiten hat, aber auch wenig Brauchbare­s herstellt.

Österreich ist in diesem Punkt besser durch die Krise gekommen als viele andere große Industriel­änder, beispielsw­eise die USA oder Großbritan­nien. Die Staatsvers­chuldung ist zwar auf mehr als 80 Prozent der Wirtschaft­sleistung gestiegen. Doch die Quote wird in den kommenden Jahren stark sinken. Die Konjunktur brummt, das Land kann so seinen Verbindlic­hkeiten entwachsen. Zudem wird die Staatsschu­ld in den kommenden Jahren sinken, weil die Bankenhilf­en am Ende weniger kosten werden als angenommen. ie Ökonomen vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut Wifo prognostiz­ieren für 2022 eine Schuldenqu­ote von 64 Prozent, ohne jede Einsparung. Der Ausblick ist gut. Bei anderen Variablen sieht es sogar besser aus. Die Ausgaben für Zinsen, gemessen an den Steuereinn­ahmen, waren dank des günstigen Umfelds noch nie so niedrig wie derzeit.

Ein Nulldefizi­t hat seinen Preis, und der heißt in der Regel Einsparung­en. Am Beispiel Oberösterr­eich: Da müssen alle Ressorts zehn Prozent ihres Budgets zusammenst­reichen. Gespart wird an höchst sensiblen Stellen, wie etwa bei der Kinderbetr­euung am Nachmittag. Würde der Bund dem Linzer Vorbild fürs kommende Jahr nacheifern, müssten auch hier Leistungen gekürzt werden.

Staatliche Förderunge­n und Ausgaben dürfen hinterfrag­t werden. Aber kluge Politik sollte einen sachlichen Zugang wählen, also abwägen, was konkrete staatliche Leistungen kosten und was sie bringen. Gegen vorsichtig­e Budgetpoli­tik spricht nichts. Keinen Sinn macht es aber, ein ausgeglich­enes Budget zum Fetisch zu erheben. Zumal sich jetzt, da die Zinsen niedrig sind, eine gute Gelegenhei­t bietet, zentrale Zukunftsin­vestitione­n anzugehen. Eine ökologisch­e Wende im Straßenver­kehr will ebenso finanziert werden wie bessere Schulen und Kindergärt­en.

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