Mahrer will für Pflichtmitgliedschaft in Kammer kämpfen
Leitl-Nachfolger: „Zutiefst liberale Idee“Wirtschaftsministerium wird neu besetzt
Wien – Der ÖVP-Wirtschaftsbund und die Wirtschaftskammer (WKO) bekommen mit Harald Mahrer zwar einen neuen Chef, zu einem Kurswechsel bei der Frage Kammerpflichtmitgliedschaft wird es damit aber nicht kommen. Er halte die Selbstverwaltung und die damit verbundene Pflichtmitgliedschaft für eine „zutiefst liberale Idee“, sagte Mahrer am Donnerstag bei seiner Präsentation durch den aktuellen Präsidenten Christoph Leitl. Mahrer versprach, für die Beibehaltung des aktuellen Systems „kämpfen“zu wollen.
Wie berichtet sind die Kammern Thema bei den aktuellen Regierungsverhandlungen von ÖVP und FPÖ. Die Freiheitlichen plädieren für ein Ende der „Zwangsmitgliedschaft“, wie sie es nennen. Ins Spiel gebracht wurde auch bereits eine Volksabstimmung zu diesem Thema.
ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der sich nun einen neuen Wirtschaftsminister suchen muss, sprach sich im Wahlkampf zwar für einen Ausbau der Serviceleistungen aus, hat aber bisher kein Ende der obligatorischen Mitgliedschaft gefordert. Mahrer geht davon aus, dass sich an diesem Kurs nichts ändern wird. Denkbar ist für ihn aber eine Urabstimmung unter den Mitgliedern. Eine solche gab es bereits einmal 1996 – damals ging sie klar pro WKO aus. (red)
Wien – Harald Mahrer hat sich schon ganz in seiner neuen Rolle gefunden. Er sei immer ein „glühender Verfechter der Selbstverwaltung“gewesen. Diese und die damit verbundene Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern sei eine „zutiefst liberale Idee“, die auf die bürgerliche Revolution von 1848 zurückgehe, sagte der Noch-Wirtschaftsminister, der nun Christoph Leitl als Chef des ÖVP-Wirtschaftsbunds und danach auch als Präsident der Wirtschaftskammer ablösen soll. Man werde für die Pflichtmitgliedschaft „kämpfen“, gehe es für die Unternehmer doch um die „Freiheit von staatlichem Zwang“.
Der 44-jährige Mahrer wurde am Donnerstag offiziell als Nachfolger des 68-jährigen Oberösterreichers Leitl vorgestellt. Im rund 40-köpfigen Wirtschaftsbund-Präsidium wurde er einstimmig designiert. Formell gewählt wird er im Dezember bei einer Generalversammlung des ÖVP-Wirtschaftsflügels. De facto fiel die Entscheidung bereits am Mittwochabend. Da hatte Leitl die neun Landesob- leute des Wirtschaftsbunds zusammengetrommelt. Mahrer, der auf Abruf bereitstand, wurde für eine Präsentation seiner Pläne hinzugeholt. Dann wurde geheim abgestimmt. Das Ergebnis: sechs Stimmen für Mahrer, zwei gegen ihn, eine Enthaltung. Also eine Dreiviertelmehrheit unter den mächtigen Landeskammern.
Zwei Gegenstimmen
In ÖVP-Kreisen geht man davon aus, dass eine Gegenstimme von Wien kam. Der dortige Landespräsident Walter Ruck wollte Leitl selbst beerben. Die zweite Gegenstimme soll aus Tirol und die Enthaltung aus Niederösterreich gekommen sein, bestätigt ist das aber nicht. Die Steirer, Landespräsident Josef Herk, hatte ebenfalls Ambitionen, konnte Leitl aber offenbar von Mahrer überzeugen. Dem Oberösterreicher ist es also gelungen, eine breite Allianz für seinen Wunschkandidaten – „Er war meine erste Wahl“– zu bekommen.
Die beschleunigte Übergabe begründete Leitl mit den laufenden Regierungsverhandlungen. Nach der Nationalratswahl und „vor den Veränderungen in der öster- reichischen Innenpolitik“sei nun der „richtige Zeitpunkt“für den Generationenwechsel.
Wie berichtet gibt es innerhalb des Wirtschaftsflügels die Sorge, bei den türkis-blauen Gesprächen zu kurz zu kommen. Mahrer ist aber optimistisch, seine Vorstellungen „aktiv in die Regierungsverhandlungen einbringen“zu können und auch „massiv eingebunden“zu werden. Den Parteichef ließ er auch gleich wissen, dass er von einer etwaigen Volksabstimmung über die Kammerpflichtmitgliedschaft, für die die FPÖ plädiert, nichts halte. „Da bin ich sehr skeptisch.“Vorstellen könnte er sich aber eine Urabstimmung unter den WKO-Mitgliedern. „Wir brauchen international keinen Vergleich zu scheuen.“Ähnlich hatte sich zuletzt auch ÖGB-Präsident Erich Foglar geäußert.
Kritische Worte fand Mahrer für die andere Seite der Sozialpartnerschaft. Bei Themen wie Ausbildung und Arbeitszeit sei vonseiten der Arbeitnehmervertreter zu wenig auf „gesamtstaatliche Interessen“geachtet worden, es brauche nun ein „Vorwärtsdenken“.
Wann sich Leitl genau zurückziehen wird, ist noch nicht klar. Nach der Bestellung zum Wirtschafsbund-Chef im Dezember werde man die weitere Vorgangsweise besprechen. Erwartet wird, dass Mahrer bis Jahresmitte 2018 zum nächsten Kammerpräsidenten gewählt wird.