Deutscher Wissenschaftsverlag beugt sich Chinas Zensur
Springer Nature blockiert 1000 Online-Beiträge
Wien/Berlin/Peking – „Zutiefst bedauerlich“findet Springer Nature die eigene Maßnahme, ein Prozent seiner Online-Inhalte in China zu sperren. Die Blockade sei aber notwendig: Denn der Verlagsriese läuft sonst Gefahr, dass alle Inhalte in China blockiert würden. Die nun gesperrten Beiträge behandeln vorwiegend politisch sensible Themen wie Tibet, Taiwan oder Tiananmen, wo Peking 1989 einen Aufstand brutal niederschlug.
In Präsident Xi Jinpings Amtszeit geraten internationale akademische Publikationen immer stärker ins Visier der Zensoren. Ähnlich erging es dem Traditionshaus Cambridge University Press (CUP) vor zwei Monaten. Auf Druck Pekings sperrte der Verlag den Zugang zu 315 Beiträgen seiner Zeitschrift China Quarterly in China. Weil Wissenschaftler aber lautstark protestierten, revidierte der Verlag die Entscheidung wenige Tage später. Mit Springer erwischt es nun einen der weltgrößten Wissenschaftsverlage mit 3000 Zeitschriften im Portfolio, darunter Superstars wie Nature.
Nun wächst die Sorge abermals, dass China den Einfluss auf die akademische Meinungsfreiheit ausbaut – und das mit den Verlagen als „willige Agenten der Propagandaabteilung“, wie Rudolf Wagner, China-Experte an den Universitäten Heidelberg und Harvard zum STANDARD sagt. Auch seine Publikationen fanden sich auf der CUP-Liste. Ihn hat nicht der Schritt Chinas, sondern die Bereitwilligkeit der Verlage überrascht, auf die Forderungen der Propagandaabteilung einzugehen. Sie hätten die Titel für ihre chinesischen Abonnenten umgehend gestrichen. Eigentlich hätten die Verlage ob Chinas Wunsch, in die weltweite Forschungselite aufzusteigen, eine gute Verhandlungsposition.
Undurchsichtige Zensur
Wie die Artikel ausgewählt werden, kommentierte der Verlag nicht. Anders als CUP veröffentlicht er auch nicht die Liste der blockierten Artikel. Recherchen der Financial Times ergaben aber, dass die Suche nach „Tiananmen“im Journal of Chinese Political Science etwa in China zu keinen Ergebnissen führt. In Hongkong oder außerhalb Chinas erhält man 92 Ergebnisse. Insgesamt sollen etwa 1000 Beiträge betroffen sein.
Springer Nature betont: „Diese Zugangsbeschränkung stellt keine inhaltliche Zensur dar und Inhalte, die wir in anderen Ländern publizieren, sind daher nicht betroffen.“Im Idealfall sollen die Restriktionen wieder aufgehoben werden, so der Verlag.