„Wolfenstein 2“im Test: Im Blutrausch gegen Roboternazis
Ego- Shooter überzeugt mit erzählerischen Qualitäten und Oldschool- Spielkonzept
Wien – Wir schreiben das Jahr 1960. Vor 14 Jahren hat die deutsche Wehrmacht eine Atombombe auf New York abgeworfen und damit die Kapitulation der USA gegen das Nazireich und seine japanischen Verbündeten eingeleitet. Hitlers Schergen ist der Griff nach der Weltmacht geglückt.
Der Verlauf der Geschichte im Ego-Shooter Wolfenstein 2: The New Colossus (PC, Xbox One, Playstation 4) ist düster. Aber es gibt Hoffnung. In der Fortsetzung des 2014 erschienenen Wolfenstein: The New Order macht sich erneut der Ex-USSoldat William Blazkowicz auf, um dem Terrorregime Einhalt zu gebieten und eine Revolution anzuzetteln. Erzählerisch setzt man dort an, wo der Vorgänger aufgehört hat. Dem Widerstand ist ein Anschlag auf Hitlers Chefgeneral namens Totenkopf geglückt, Blazkowicz überlebt die Mission aber nur schwer verletzt. Doch die Nazis ließen sich davon nicht nachhaltig aus der Bahn werfen. An die Stelle von Totenkopf ist nun die nicht minder fanatische Kommandantin Irene Engel gerückt, die als oberstes Feindbild fungiert.
Der Held, ein Texaner mit polnischem Familienhintergrund, stellt sich auch körperlich gebrochen den Feinden entgegen, die zu Beginn des Spiels das Krankenhaus stürmen, in dem er untergebracht ist. Dabei beweisen die Entwickler abermals Mut zu ausgefallenen Szenarien. Zieht man hier im Rollstuhl gegen die Widersacher zu Felde, gesellen sich später weitere Missionen mit unterschiedlichen Fahrgerätschaften hinzu – beispielsweise ein feuerspeiender Roboterhund.
Brutal schön
Die Inszenierung spielt dabei auf hohem Niveau. Bis auf kleinere Fehler, wie in der Wand stecken bleibende tote Gegner, wird das Geschehen stimmig präsentiert. Der etablierten Ästhetik sind die Designer treu geblieben. Die Nazis lieben kolossale, architektonisch fragwürdige Gebäude aus Stahlbeton. Und während in den Büros klassische Wählscheibentelefone zu finden sind, patrouillieren autonome Kampfroboter mit Laserkanonen und Flugdrohnen durch die Straßen. Die retrofuturistische Vision, die das Spiel transportiert, erinnert an die Fallout- Reihe. Das nuklear verwüstete Manhattan wirkt beinahe wie ein Direktimport aus dem postapokalyptischen Rollenspiel. Insgesamt ist der Mix aus großen, weitläufig wirkenden Levels und engen Gebäudekomplexen stimmig und abwechslungsreich geworden.
Mitreißend erzählt
Was Wolfenstein 2 ebenfalls prägt, ist exzessive Gewaltdarstellung. In den kinoreifen, meist gut vertonten Zwischensequenzen wird man mit Folterszenen konfrontiert. Platzende Köpfe, abgetrennte Gliedmaßen und literweise Blut sind kein seltener Anblick bei den zahlreichen Kampfhandlungen – eine Überzeichnung, die hier allerdings zum generell „abgefahrenen“Szenario passt. Für zartbesaitete Gamer ist der Shooter jedoch nicht geeignet.
Es ist nicht nur die grafische Opulenz, mit der Wolfenstein 2 punktet. Die Grenzen zwischen Gut und Böse sind zwar klar abgesteckt, aber das Spiel bietet immer wieder Einblicke in Vorgeschichte und Gefühlsleben von Held und Mitstreitern. Im Fokus steht seine Beziehung zu Anya Oliwa, der Quell seines unbrechbaren Kampfgeistes. Sie ist eine von mehreren starken Frauen, die das Spiel porträtiert. Und freilich gibt es auch Charaktere wie den umtriebigen Bastler Set Roth, der sich stets neue Erfindungen einfallen lässt, die Blazkowicz im Kampf erproben kann.
Vertieft wird die Erzählung auch durch Missionen an Bord der Hammerfaust. Das den Nazis geklaute U-Boot dient dem Widerstand als mobiles Hauptquartier und birgt einige Geheimnisse, die man zwischendurch erforscht. Wer sich für die Aktivitäten des Regimes und den Kriegsverlauf zwischen 1946 und 1960 näher interessiert, findet immer wieder Aufzeichnungen, Zeitungsschnipsel und andere Dokumente, die entsprechende Eindrücke liefern. Feinheiten wie diese tragen dazu bei, dass man gut in die Handlung eintauchen kann.
Gute alte Schule
Spielerisch ist Wolfenstein 2 ein Shooter der alten Schule und verzichtet auf einen Mehrspielermodus. Feinde sind mäßig intelligent und werden nur in der Masse gefährlich. Dazu gibt es regelmäßig stärkere Zwischengegner mit dicker Waffenausstattung. Gefordert sind ein Gespür für taktische Bewegung und gute Reflexe. Das Spiel erlaubt auch verdecktes Vorgehen mit unbemerktem Ausschalten von Gegnern. Die Möglichkeiten sind hier jedoch recht eingeschränkt, der Fokus liegt klar auf schneller Action.
In Summe ist Wolfenstein 2 eine gelungene Fortsetzung. Spielerische Innovation findet man hier nicht, dafür gibt es ein bewährtes Rezept, das immer noch zu begeistern weiß.