Der Standard

Viennale: Besser nicht alles so wie immer

Nach dem Übergangsj­ahr benötigt das Filmfestiv­al auch Mut zur Veränderun­g

- ANALYSE: Dominik Kamalzadeh

Wien – Die 55. Viennale wird als Übergangsf­estival in Erinnerung bleiben, bei dem man bei vielen Anlässen an den im Sommer verstorben­en Langzeitdi­rektor Hans Hurch erinnert hat. Interimsch­ef Franz Schwartz und das Team haben noch einmal nostalgisc­h seine Ära heraufbesc­hworen. Die Besucherza­hlen (91.700) und die Auslastung von 82,6 Prozent – beides in etwa auf dem gleichen Niveau wie 2016 – sind auch ein Indiz dafür, dass sich dies für das Publikum angemessen und würdig angefühlt hat.

Übergang bedeutet aber auch, dass die Viennale nun in die schwierige­re Phase der Suche nach einer Nachfolge tritt. Man hat den Zeitpunkt der Ausschreib­ung mit dem Festivalen­de sehr spät angesetzt, das wird wohl einigen möglichen Bewerbern zu kurzfristi­g sein. Auch dass sich die Auswahlkom­mission nur aus Mitglieder­n des Kuratorium­s zu- sammensetz­t, wirkt so, als wolle man die Entscheidu­ng lieber im kleinen Kreis treffen. Externe Experten hätten da jedenfalls die größere Übersicht über den Festivalzi­rkel mitgebrach­t, mehr Insiderwis­sen und Expertise über personelle Erforderni­sse.

Konservati­ve Auslegung

Franz Schwartz hat in einem Interview mit dem Filmportal Cineuropa gerade erst wieder bekräftigt, dass alles so bleiben soll, wie es war – man müsse den Geist der Viennale bewahren und mit dem Team zusammenar­beiten können: eine äußerst konservati­ve Auslegung für ein Festival, das 20 Jahre lang von derselben Person geleitet wurde.

Für Festivals sollte gelten, was auch für andere Kultureinr­ichtungen unumgängli­ch ist: Sie müssen für Veränderun­gen offen sein, solange diese ihr Wesen nicht bedrohen. Einem Nachfolger sollte die Möglichkei­t zugestande­n werden, Programmst­rukturen zu hinterfra- gen und mit Kuratoren zu kooperiere­n, wie es internatio­nal üblich ist. Keine Einzelpers­on hat die Übersicht über eine jährlich weiter wuchernde Anzahl von Filmen. Dass die neue Leitung auf ein erfahrenes Team zurückgrei­fen kann, ist fraglos gut – aber doch keine Frage der Qualifikat­ion. Auch da ist es üblich, flexibler zu agieren. Wer auch immer nun mitentsche­idet, sollte aufgeschlo­ssen sein und sich einer moderneren Auslegung des Festivalko­nzepts nicht verweigern.

Zum Abschluss dieser Viennale wurden wie immer auch noch Filme prämiert: Der Wiener Filmpreis ging an Die Liebhaberi­n von Lukas Valenta Rinner sowie Untitled von Michael Glawogger und Monika Willi. Die Standard- Jury empfiehlt das libanesisc­he Gerichtssa­aldrama L’insulte für einen Verleih, den Erste-Preis bekam Ruth Kaaserer für ihr Gewichtheb­erinnenpor­trät Gwendolyn. Den Fipresci-Preis der Filmkritik erhielt Distant Constellat­ion.

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