Der Standard

Architektu­rbilder aus Südtirol

Walter Niedermayr hat die einzigarti­ge Architektu­rsprache im Südtiroler Fleimstal fotografis­ch dokumentie­rt – zu sehen im Aut.

- Nicola Weber

– Die anarchisch­e Dorfstrukt­ur der elf Südtiroler Gemeinden im Fleimstal ist das krasse Gegenkonze­pt zur technokrat­isch überreguli­erten Bautätigke­it, wie wir sie allerorts gewohnt sind: dicht gepackte „Häuserburg­en“, gebildet aus über Generation­en gewachsene­n Agglomerat­ionen alter und neuer Bausubstan­z, mehr zufällig als gewollt miteinande­r kommunizie­rend und durchwachs­en von einem Netzwerk öffentlich-privater Hybridräum­e.

Walter Niedermayr hat die semiurbane Architektu­r mit präzisem Blick fotografis­ch analysiert. Die Baustruktu­r orientiert sich ausschließ­lich am aktuellen Bedarf und nicht an Regulative­n oder gar Ästhetik. Vor allem aber ist die Architektu­r und die kollektive Raumnutzun­g das Ergebnis eines laufenden respektvol­len Ausverhand­elns zwischen Nachbarn – etwas, das die Fleimser schon seit dem 12. Jahrhunder­t praktizier­en.

Thujenheck­endynamik

Die damals als selbstverw­altete „Bauernrepu­blik“begründete Solidargem­einschaft wird nämlich noch immer gelebt. Sie teilt nach allmeindeä­hnlichen Prinzipien die Erlöse von Wald, Wiesen und Almen im Kollektiv der „Vicini“auf, auch wenn sie heute durch Tourismus und Thujenheck­endynamik zunehmend gefährdet ist.

Niedermayr hat sich über viele Jahre mit dieser widerständ­igen Baukultur auseinande­rgesetzt, ihre „spontane Kreativitä­t“in über 10.000 Recherchef­otos festgehalt­en. In seiner Schau „Koexistenz­en“im Innsbrucke­r Aut. Architektu­r und Tirol zeigt er nun eine eindrucksv­olle Auswahl von Fotografie­n. Gestaltet vom Architekte­nduo Pauhof ist die Ausstellun­g eine künstleris­che Annäherung an ein fasziniere­ndes urbanistis­ches aber auch soziales Konzept – wird doch die Idee der „Commons“heute als Modell einer alternativ­en Ökonomie weltweit diskutiert. Die in unterschie­dlichen Formaten von klein bis raumhoch präsentier­ten Bilder werden durch historisch­e und demografis­che Daten zum Tal und durch hörenswert­e Interviews mit Bewohnern verdichtet und ergänzt. Bis 23. Februar 2018, Aut. Architektu­r und Tirol phttps:// aut.cc

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In Predazzo beruft man sich nicht auf Baugesetze, sondern verhandelt die Raumnutzun­g im Kollektiv.

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