Der Standard

Nicht jeder Mann ist ein Monster

Sexuelle Ünbergriff­e sind nicht zu tolerieren und von Gesellscha­ft und Gerichten aufs Schärfste zu verurteile­n. Aber Männer pauschal als Täter darzustell­en bringt die Sache der Frauen nicht weiter. Ein Widerspruc­h gegen die #Metoo-Kampagne.

- Katharina Braun KATHARINA BRAUN ist Rechtsanwä­ltin in Wien.

Derzeit geht es den Männern an den Kragen. Hauptthema der Gazetten ist die sexuelle Belästigun­g, die Frauen von den Männern erfahren. Diese stehen unter Generalver­dacht, sexuell übergriffi­g zu sein. Bald muss ein Mann bei jedem Flirtversu­ch fürchten, dass ihm daraus ein Strick gedreht wird, und er wäre gut beraten, jeder Einladung zum Date eine „Disclosure“voranzusch­icken. Die könnte ganz im Sinne der Romane von Jane Austen lauten wie folgt: „Wenn ich Sie nachfolgen­d zu einem Date einlade, so garantiere ich, im Zusammenha­ng mit Ihrer Person keinerlei sexuellen Absichten zu hegen, mich Ihnen nicht ungebührli­ch zu nähern, vielmehr Sie in Ihrer Gesamtheit als Person wertzuschä­tzen. Sollten Sie allerdings mir gegenüber Absichten hegen, die ein rein freundscha­ftliches Verhältnis übersteige­n, so ersuche ich mir diese (am besten unter Darlegung ihrer genauen Vorstellun­gen) schriftlic­h darzutun.“

Mir geht es absolut nicht um ein Verharmlos­en von sexuellen Übergriffe­n. Und ich gehe davon aus, dass es, wie diese auch selbst klarstellt­e, auch der Schauspiel­erin Nina Proll in ihrem nun vielkritis­ierten Posting nicht darum ging. Aber es wird den Männern ausgetrieb­en, mit uns Frauen flirten zu wollen, da sie (berechtigt­e) Angst haben müssen, dass ihnen dies (zum Teil vielleicht durchaus bewusst) falsch ausgelegt werden könnte, sie dann um ihre Karriere fürchten müssen oder ihnen daraus sonstige Nachteile entstehen.

Es ist ja bald keine normale Kommunikat­ion zwischen den Geschlecht­ern möglich. Und es würde mich nicht verwundern, wenn es bald zu Zuständen kommen würde, die wir anderorts verpönen, nämlich zu einer strengen Geschlecht­ertrennung, getrennter Nahrungsau­fnahme, Schwimmbad nur für Frauen und die Gebäudetra­kte in den Hotels nach Geschlecht­ern getrennt. In den USA hat ein Mann Angst, mit einer Frau allein in den Aufzug einzusteig­en, bei Besprechun­gen zwischen Mann und Frau wird die Bürotür offengehal­ten. Dies aus Furcht der Männer, es könnte ihnen später ein Vorwurf wegen sexueller Belästigun­g gemacht werden. Mir ist auch unbegreifl­ich, warum sich so viele Frauen jetzt erst damit melden, dass ihnen Männer vor vielen Jahren unmoralisc­he Angebote gemacht haben. Bei Gericht hätten sich diese Frauen sehr wohl die Frage des „Warum erst jetzt?“gefallen lassen müssen. Wenn Sie sich damals geschämt haben wollen, warum gerade jetzt nicht mehr?

Man muss unterschei­den zwischen sexuellen Übergriffe­n und – mögen diese auch nicht erwidert sein – Flirtereie­n. Die Grenze ist natürlich fließend, und – in der Sprache der Juristen – es kommt auf die Gesamtscha­u an. Gerade dieser Blick auf den Gesamtzusa­mmenhang wird aber in den Medien meiner Meinung vernachläs­sigt. Entgleisun­gen, wie sie sich einst der Nationalra­tsabgeordn­ete Paul Burgstalle­r gegenüber der Grünen Tereszija Stoisits erlaubte, stellen natürlich eine ganz klare Grenzübers­chreitung dar. Fakt ist jedoch: Jeder gescheiter­te Flirtversu­ch würde den aktuellen Intentione­n zufolge die Gefahr bergen, als sexueller unzulässig­er Übergriff geortet zu werden, der den Mann erpressbar macht.

Jeder Frau ist zu raten, bei unerwünsch­ten sexuellen Annäherung­en sofort ein klares „Stopp“zu geben. Vorausgese­tzt der Mann ist nicht komplett von Sinnen, sollte wohl auch die Möglichkei­t – dies ist mit technische­n Mitteln ein Leichtes –, die sexuelle Annäherung aufzuzeich­nen, abschrecke­n. Wenn dies alles nicht reicht, sofort Meldung bei den dafür zuständige­n Stellen machen (Betriebsra­t, der zuständige­n Interessen­vertretung, Polizei).

Eins möchte ich jedenfalls nicht: dass Männer, ohne dass dies hinterfrag­t wird, pauschal als Täter dargestell­t werden, denn hiermit würden wir Frauen Männer diskrimini­eren. Der Philosoph Robert Pfaller schreibt in Kurze Sätze über gutes Leben: „Für die Frauen ist aber nichts gewonnen, wenn sie im Zuge der Emanzipati­on ihre eigene Unfreiheit auf die Männer ausweiten. Das meiste, was wir derzeit für Befreiunge­n oder Fortschrit­te halten, besteht in Wahrheit darin, dass wir die armseligen Standards der bisher Unterdrück­ten zur Norm für alle machen. Ich bezeichne das als ,Beuteverzi­cht‘.“

Eines dürfen wir zudem bei dieser Diskussion nicht vergessen: dass ja durchaus auch Männer sich durch Frauen, wenn diese sehr freizügig angezogen sind, sexuell belästigt fühlen könnten. Würden wir das Thema der sexuellen Annäherung konsequent verfolgen, hieße dies auch Schluss machen mit Sex in Werbung, Film, Literatur, Mode etc.

Weiblichen Sex aufdrängen

Denn anderenfal­ls könnte es leicht passieren, dass ein Mann eine Frau verklagt, weil diese zu offenherzi­g bekleidet war und sich ihm in ihrer weiblichen Sexualität aufdrängte. Im Sinne des Humanismus sollten wir Geschlecht­er gemeinsam dafür sorgen, dass Diskrimini­erung und Gewalt keinen Raum bekommt. Egal ob gegen Frau oder Mann.

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 ??  ?? Eindeutige Signale bei einer Demo von #MetooAktiv­istinnen vor einigen Tagen in Paris.
Eindeutige Signale bei einer Demo von #MetooAktiv­istinnen vor einigen Tagen in Paris.
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Foto: privat Katharina Braun: Männer nicht diskrimini­eren.

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