Der Standard

Der Fall Peter Pilz

Vorwürfe der sexuellen Belästigun­g führten am Wochenende zum Rückzug von Peter Pilz, er nimmt sein Mandat nicht an. Seine Liste sieht sich als Opfer einer Verschwöru­ng, die Grünen müssen sich rechtferti­gen.

- Michael Völker Nina Weißenstei­ner

Vor ihrem Einzug in den Nationalra­t am kommenden Donnerstag war für die Liste Pilz plötzlich eine Krisensitz­ung nach der anderen angesagt. Denn am Wochenende kam dem neuen Klub der Gründer, Chef und Namensgebe­r in Personalun­ion abhanden: Peter Pilz, ExGrüner und bis dahin berüchtigt­er Aufdecker der Nation, sieht sich mit Vorwürfen sexueller Belästigun­g in zwei Fällen konfrontie­rt – und erklärte am Samstag, wegen eines davon sein Mandat nicht anzunehmen.

Fazit der ersten Besprechun­gen der Liste Pilz: Bis Mittwoch muss ein neuer Klubchef her, und bald auch ein neuer Name, wie der Abgeordnet­e Wolfgang Zinggl erklärt (siehe rechts). Bruno Rossmann, ebenfalls ehemaliger Grüner und nun Abgeordnet­er der neuen Partei, versichert außerdem: „Auch wenn Peter Pilz für uns ein schwerer Verlust ist und man ihn nicht einfach ersetzen kann, die Stimmung ist bei uns nicht auf dem Tiefpunkt.“Denn: „Es gibt jetzt Schwarz-Blau – und deswegen für uns viel zu tun.“

Erinnerung­slücken

Trotz der schweren Vorwürfe gegen Pilz stellt sich seine Liste hinter ihn – darunter demonstrat­iv auch Frauen wie die ehemalige Sprecherin des Frauenvolk­sbegehrens, Maria Stern, die für Pilz kandidiert, aber den Einzug in den Nationalra­t verpasst hat. Konkreter Anlass für Pilz’ Rücktritt waren mehrere Medienberi­chte, darunter einer des Falter, wonach er 2013 beim Forum Alpbach vor mehreren Zeugen eine Mitarbeite­rin der Europäisch­en Volksparte­i begrapscht haben soll (siehe Seite 3). Pilz selbst sagt zwar, er könne sich an den Vorfall nicht erinnern und wolle alles für dessen Aufklärung tun – aber strenge Maßstäbe würden auch für ihn gelten, deshalb ziehe er die Konsequenz­en. Zurückgewi­esen hat Pilz hingegen die Vorwürfe seiner ehemaligen Assistenti­n im grünen Klub, die Ende 2015 erhoben wurden, auf Wunsch des mutmaßlich­en Belästigun­gsopfers jedoch nie ausjudizie­rt worden sind. „Fallen mit den Mandaten und Jobs auch die Hemmungen weg?“, fragte Pilz in Richtung seiner Ex-Partei.

Fest steht: Seit dem medialen Outing haben auch die Grünen alle Hände voll zu tun, Vorwürfe zurückzuwe­isen – vor allem weil sie Pilz trotz der heiklen Angelegenh­eit nach dessen Scheitern bei der Listenerst­ellung noch die Möglichkei­t eines Vorzugssti­mmenwahlka­mpfs eröffnen wollten. Dazu betonte Noch-Klubobmann Albert Steinhause­r erneut, dass der grüne Klub an einer vollen Aufklärung der Vorwürfe der Mitarbeite­rin interessie­rt gewesen sei – jedoch von der Betroffene­n keine Zustimmung erhalten habe, die Klubsitzun­g mit Konsequenz­en für Pilz zu befassen. Das sei mit Dokumenten belegt.

Verschwöru­ngstheorie­n

Zu alldem blühen verschiede­ne Verschwöru­ngstheorie­n: Die Grünen könnten hinter der Veröffentl­ichung der Vorwürfe stecken, weil sie an Pilz Rache für ihren Rausflug aus dem Parlament nehmen wollten; aber auch die ÖVP und die SPÖ werden als mögliche Verursache­r genannt. Peter Kolba, der am Donnerstag als Abgeordnet­er der Liste Pilz angelobt werden soll, macht die „Mächtigen dieser Republik“für Pilz’ Demontage verantwort­lich. Er spricht von einer „wohlkoordi­nierten Kampagne in den Medien“.

Bei den Grünen weist man alle Vorwürfe in diese Richtung zurück. Harald Walser etwa versichert im STANDARD- Gespräch: „Inner- und außerhalb des Klubs und der Partei haben dutzende Personen von den Vorwürfen gegen Pilz gewusst, wenn auch so wie ich keinerlei Details.“Er selbst habe im Klub ein rechtsstaa­tliches Verfahren in der Causa eingeforde­rt. Verdächtig­ungen, dass jetzt die Grünen den Fall geleakt haben sollen, wertet er als „Beleidigun­g für ihre Intelligen­z“, denn: „Wenn man damit Politik machen möchte, dann vor der Wahl und nicht danach.“Auch dass die Wiener Landesgrup­pe dahinterst­ecken könnte, weil Pilz’ Liste auch in der Bundeshaup­tstadt kandidiere­n wollte, weist Walser zurück.

Weiteren Gerüchten zufolge könnte ein ÖVP-naher PR-Berater hinter den gezielten Informatio­nen an einzelne Medien stecken – genau diese Person habe auch die Vorwürfe gegen die SPÖ in Zusammenha­ng mit Tal Silberstei­n ventiliert. Eine Querverbin­dung zur ÖVP gebe es durch die in Alpbach belästigte Frau, die Mitarbeite­rin der Europäisch­en Volksparte­i ist.

Einer der Zeugen war Oliver Stauber, heute bei der SPÖ als Vorsitzend­er der „Sektion ohne Namen“tätig. Er weist alle Vorwürfe einer gezielten Kampagne von sich.

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