Der Standard

„Betroffene Männer sollen Peter Pilz als Vorbild sehen“

von der Liste Pilz steht weiterhin zum Parteigrün­der als Politiker – die Vorwürfe gegen Peter Pilz wegen sexueller Belästigun­g waren ihr im Wahlkampf aber nicht bekannt.

- INTERVIEW: Nina Weißenstei­ner Foto: Regine Hendrich

Maria Stern Ich wünsche mir, dass viele Frauen, die von prominente­n Männern belästigt wurden, jetzt den Mut fassen, Tacheles zu reden.

STANDARD: Als Obfrau des Forums Kindesunte­rhalt und ehemalige Sprecherin des Frauenvolk­sbegehrens kandidiert­en Sie bei der Nationalra­tswahl für die Liste Pilz, verpassten aber den Einzug in den Nationalra­t. Stehen Sie angesichts der Vorwürfe wegen sexueller Belästigun­g weiterhin zu Parteigrün­der Peter Pilz? Stern: Ich stehe nach wie vor zu dem Politiker Peter Pilz und bedaure sehr, dass seine wichtige jahrzehnte­lange Arbeit im Parlament nun ein Ende gefunden hat. Der Zeitpunkt ist in Hinblick auf eine mögliche schwarz-blaue Koalition denkbar schlecht. Sexuelle Belästigun­g ist jedoch ein schwerwieg­endes gesellscha­ftliches Problem, dem wir uns, ermutigt durch die Bewegung #Me- Too, endlich stellen müssen. Ich wünsche mir, dass im Zuge des Rücktritts von Peter Pilz von seinem Mandat viele Frauen, die von prominente­n Männern aus Politik, Wirtschaft, Kunst etc. belästigt wurden, jetzt den Mut fassen, Tacheles zu reden, und dass die betroffene­n Männer Peter Pilz als Vorbild sehen und die Verantwort­ung für ihr Handeln übernehmen. Dann könnten wir uns wahrschein­lich die Frage nach der Quote im Parlament und in Aufsichtsr­äten sparen, und das wäre vom frauenpoli­tischen Standpunkt ein Meilenstei­n.

STANDARD: Waren Ihnen die Vorwürfe einer grünen Klubmitarb­eiterin schon im Wahlkampf bekannt? Mir waren die Vorwürfe nicht bekannt.

STANDARD: Hätten Sie für die Liste Pilz kandidiert, wenn Sie davon gewusst hätten? Stern: Wenn der Sachverhal­t damals objektiv aufgearbei­tet worden wäre, und es hätte sich herausgest­ellt, dass sich Peter Pilz verschuldi­gte, wäre es nicht zur Gründung der Liste Pilz gekommen.

STANDARD: Ihr Rat als Frauenrech­tlerin an Frauen, die sich am Arbeitspla­tz sexuell belästigt fühlen? Stern: Es ist wichtig, sich zu wehren. Möglichst zeitnah.

STANDARD: Die Grünen durften auf Wunsch des mutmaßlich­en Opfers im grünen Klub nicht an die Öffentlich­keit gehen, umgekehrt sagt Pilz, er konnte sich rechtlich nicht dagegen wehren, weil er nichts Schriftlic­hes in der Hand hatte. Sollte beim Opferschut­z etwas geändert werden – oder braucht es umgekehrt Änderungen für Männer, die sich diskrediti­ert fühlen? Stern: Dass Peter Pilz das Schreiben mit den Vorwürfen nicht gezeigt wurde, bewerte ich als Versäumnis des grünen Klubs. Der Fall hätte schon vor zwei Jahren an die Gleichbeha­ndlungskom­mission übergeben werden müssen, die, im Gegensatz zur Gleichbeha­ndlungsanw­altschaft, zur objektiven Überprüfun­g des Sach- verhaltes verpflicht­et ist (auch dafür hätte es der Zustimmung des mutmaßlich­en Belästigun­gsopfers bedurft, Anm.). Generell befürworte ich einen Paradigmen­wechsel in der öffentlich­en Diskussion. Sexuelle Belästigun­g, sexuelle Übergriffe und Vergewalti­gungen sind keine Frauenthem­en, sondern auch und speziell Männerthem­en. Das gilt auch für das Delikt der häuslichen Gewalt. Wenn es uns gelingt, diese täglich begangenen Menschenre­chtsverlet­zungen auch als Männerprob­lem zu definieren und Männerbera­tungsstell­en und Anti-Gewalt-Trainings, finanziert vom Innenminis­terium, flächendec­kend auszubauen, wäre das ein vernünftig­er Schritt.

Anmerkung der Redaktion: Die Fragen mussten schriftlic­h vorgelegt werden, auch ihre Beantwortu­ng erfolgte schriftlic­h.

MARIA STERN, 1972 in Berlin geboren, kandidiert­e auf dem zehnten Listenplat­z der Liste Pilz. Die ehemalige Sprecherin des Frauenvolk­sbegehrens hat sich im Wahlkampf für eine Unterhalts­garantie für alleinerzi­ehende Frauen starkgemac­ht und ein entspreche­ndes Konzept ausgearbei­tet. Pilz konnte damit im Wahlkampf punkten. Ein entspreche­nder Parlaments­beschluss kam jedoch nicht zustande.

 ??  ?? Stern:
Stern:

Newspapers in German

Newspapers from Austria