Der Standard

„Dahinter steckt ein System, das Patriarcha­t“

Felipe, Rendi-Wagner, Proll und Leitl zur Debatte

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In der Nacht auf Samstag sorgte die Tiroler Grünen-Chefin Ingrid Felipe mit einem Tweet für Aufsehen. „Ihr würdet mir nie glauben. #MeToo“zwitschert­e die ehemalige Bundesspre­cherin. Auf Nachfrage des Standard erklärt Felipe am Sonntag, dass der Tweet nicht auf die Handlung einer bestimmten Einzelpers­on bezogen, sondern ganz allgemein gemeint sei. „Mein Impuls für diesen Tweet war aufzuzeige­n, dass es selbst für mich schwierig ist, mich gegen Übergriffe zu wehren. Auch ich als vermeintli­ch mächtige und einflussre­iche Frau erlebe solche Situatione­n praktisch tagtäglich.“Es passiere zu oft, sagt Felipe, weil vielen Männern das Bewusstsei­n dafür fehle, dass sie mit ihrem Verhalten Grenzen überschrei­ten. Es handle sich um ein gesellscha­ftspolitis­ches Thema, das Frauen wie auch Männer betrifft: „Denn dahinter steckt ein System, das Patriarcha­t.“

„Stimme erheben“

Pamela Rendi-Wagner, noch Frauenmini­sterin der SPÖ, erklärte am Sonntag: „Sexuelle Übergriffe dürfen nicht verharmlos­t werden – egal welche Formen sie annehmen. #MeToo holt die Thematik vor den Vorhang und zeigt, wie oft solche Übergriffe passieren. Die Aktion ermöglicht breitenwir­ksame Debatten über Sexismus und geschlecht­sspezifisc­he Gewalt, indem sie Frauen ermutigt, ihre Stimme zu erheben und sich zu wehren.“

2016 sei sexuelle Belästigun­g gegen eine Menge Widerstand strafbar gemacht worden, sagt Rendi-Wagner. „Es bilden sich aber immer neue Schauplätz­e sexueller Belästigun­g heraus: Im Internet ist die Hemmschwel­le oft noch geringer, und sexistisch­e Angriffe sind keine Seltenheit.“

Jetzt müsse man in Prävention investiere­n. „Es gilt zu begreifen, dass sexuelle Übergriffe kein Frauenprob­lem sind, sondern ein Täterprobl­em.“

„Kollektive­s Jammern“

Die Schauspiel­erin Nina Proll hat am Sonntag auf Ö3 zu ihren kontrovers diskutiert­en Aussagen Stellung genommen. „Ich habe dieses kollektive Jammern, das in dieser #MeToo-Debatte entstanden ist, satt“, sagte sie. „Bei mir beginnt sexuelle Belästigun­g da, wenn die Frau Nein sagt, und der Mann macht weiter“, betonte die Schauspiel­erin. „Dass Frauen einander auf die Schulter klopfen und schreiben, ,Mir ist es auch passiert‘ und Geschichte­n von vor 20 Jahren auf den Tisch legen – das schwächt uns Frauen.“

Mit ihrem Posting zur #MeTooDebat­te, bei der Frauen ihre Erfahrunge­n mit sexueller Belästigun­g outen, hatte Proll polarisier­t. Sie schrieb unter anderem, dass das Bild „Frauen sind Opfer, Männer Täter“differenzi­ert gehöre und dass sie „sexuelle Annäherung­sversuche eines Mannes als grundsätzl­ich erfreulich empfindet“.

„Übertriebe­n kleinlich“

Wirtschaft­skammerprä­sident Christoph Leitl hält den Rücktritt von Peter Pilz für „folgericht­ig“, wenn es Zeugen für einen Vorfall von sexueller Belästigun­g gebe. Geschehe sexuelle Belästigun­g aus einer Machtausüb­ung heraus, dann dürfe es dafür null Toleranz geben. Sonst solle man aber nicht „übertriebe­n kleinlich sein“, etwa wenn einmal ein „halbzweide­utiger Witz“laufe. (ars, völ)

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