Karriereenden, Therapien und bewachte Castings
Was wird sich infolge der #MeToo-Debatte in der Unterhaltungsbranche unmittelbar ändern?
Als es noch keine #MeTooDebatte gab und Harvey Weinstein unbehelligt agierte, konnten über seine intern offenbar bekannten sexuellen Übergriffe noch Witze gemacht werden, sogar öffentlich vom Moderator bei der Oscargala. Wie werden die Witze aber bei der nächsten Academy-Award-Verleihung am 4. März 2018 aussehen? Das Lachen ist allen – nicht nur in Hollywood – vorläufig vergangen. Immer neue Anschuldigungen werden bekannt, nicht nur aus der Unterhaltungsindustrie. Die Verlautbarungs- und Diskussionskultur ist indes auf eine harte Probe gestellt, zumal Welten aufeinanderprallen und Karrieren auf dem Spiel stehen.
Diejenige von Kevin Spacey ist vorläufig zumindest auf Eis gelegt. Am Samstag gab der Streamingdienst Netflix bekannt, dass er eine weitere Zusammenarbeit mit dem Schauspieler ablehne. Immerhin gehört die Serie House of Cards, in der Spacey den US-Politiker Frank Underwood verkörpert, zu den weltweit populärsten. Indes verlangt eine Internetpetition von Netflix, die Ausstrahlung der Serie The Ranch zu stoppen – wegen des unter Vergewaltigungsvorwurf stehenden Hauptdarstellers Danny Masterson.
Auch die Vorwürfe von Schauspielerinnen, darunter Olivia Munn, gegen Filmregisseur Brett Ratner (X-Men) haben bereits zu unmittelbaren Konsequenzen ge- führt: Warner Brothers hat sich von ihm distanziert und wird auf absehbare Zeit nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten.
„Ich denke, die Branche hat sich für immer verändert“, sagte Hollywood-PR-Fachmann Marcel Pariseau am Sonntag in der Los Angeles Times. „Wir wachen auf und fragen uns: Was passiert als Nächstes? Ich fürchte mich fast davor zu erfahren, was die nächste neue Geschichte ist.“Alle seien dabei, ihre beruflichen Kontakte neu zu sortieren und zu überprüfen.
Es geht alles sehr schnell
Indes gebieten manche Stimmen auch Einhalt. So hat etwa bereits zu Beginn der AufschreiWelle Woody Allen vor einer „Hexenjagd“gewarnt. Und auch im Fall von Dustin Hoffman, dem US-Autorin Anna Graham Hunter sexuelle Belästigung am Set von Tod eines Handlungsreisenden vorgeworfen hat, erhebt ein namhafter Kollege Einspruch: Regisseur Volker Schlöndorff ist sich sicher, dass die Vorwürfe, die das Jahr 1985 betreffen, „lächerlich“seien. Hoffman sei damals am Set der „Kantinenclown“gewesen und das Po-Hauen lediglich „ein Spiel gewesen, auf das sie (die nunmehrige Anklägerin, Anm.) eingegangen ist“. Schlöndorff wird in der am Donnerstag erscheinenden deutschen Wochenzeitung Die Zeit in einem umfangreichen Artikel genauer auf den Fall eingehen.
Es ist, als bräuchte momentan jeder eine kleine Therapie, meint Pariseau weiter. Es geht alles sehr schnell. Wie sollen wir mit dieser Unkultur umgehen? Er nimmt an, dass es ab sofort nur mehr bewachte Castings geben wird, dass Agenturen ihre Klienten genauestens prüfen und sich Firmen konsequenter gegenüber Führungskräften verhalten werden.
Schauspielerin Ellen Barkin plädiert dafür, grundsätzlich mehr Frauen ins Business zu lassen, dann würden sich auch Verhaltensmuster ändern. #MeToo würde für mehr Selbstkontrolle im „boys club“sorgen. (afze)