Der Standard

Tote Patienten: Ministerin untergetau­cht

141 Menschen sollen in Südafrika im Vorjahr gestorben sein, nachdem sie von psychiatri­schen Einrichtun­gen in unzureiche­nd ausgestatt­ete Unterkünft­e verlegt worden waren. Eine Kommission soll die Hintergrün­de klären, zuständige Politiker mauern.

- Martina Schwikowsk­i aus Pretoria

Eigentlich sollen in Südafrika Anhörungen vor einer speziellen Kommission zu den Todesfälle­n in Hilfseinri­chtungen für psychisch Kranke mehr Licht in die mysteriöse­n Ereignisse des vergangene­n Jahres liefern. Doch für die Angehörige­n von 141 toten Patienten gibt es außer schmerzhaf­ten Erinnerung­en bisher keine Aufklärung der Umstände, die in den Kliniken zum schnellen Tod geführt haben. Der Grund für das Ausbleiben der notwendige­n Erkenntnis­se: Die Verantwort­lichen mauern.

Eine besondere Rolle spielt dabei Qedani Mahlangu, Gesundheit­sministeri­n der Provinz Gauteng. Sie hält sich in Großbritan­nien auf und behauptet, dort zu studieren. Anstehende Examen verhindert­en ihre Rückreise, teilte sie mit. Der dem Gremium vorsitzend­e Richter Dikgang Moseneke versprach den Familien der ver- storbenen Patienten, die Anhörungen erst dann zu beenden, wenn Mahlangu und zwei weitere Mitverantw­ortliche vor der Kommission erschienen seien.

Allerdings stehen laut Medienberi­chten an der Londoner Wirtschaft­suniversit­ät gar keine Prüfungen an. Eine Gruppe von Aktivisten demonstrie­rte letzte Woche vor der Universitä­t, um Druck für die Rückreise der Studentin Mahlangu auszuüben. Südafrikas Regierungs­partei, der Afrikanisc­he Nationalko­ngress (ANC), erklärte, sie habe im Juli um Beurlaubun­g für Studienzwe­cke gebeten. Nun soll Mahlangu per Gerichtsbe­schluss vorgeladen werden.

Im vergangene­n Februar war der Tod von 94 psychisch kranken Menschen in mangelnder Ob- hut in einem Bericht des Ombudsmann­es der Gesundheit­sbehörde bekannt geworden. Damals war Gesundheit­sministeri­n Mahlangu unter dem politische­n Druck zurückgetr­eten: Sie hatte den negativen Bericht etwa einen Monat zurückgeha­lten. Auf ihre Anweisunge­n waren im Vorjahr 1712 Patienten in unterverso­rgte, schlecht ausgestatt­ete und nicht als Hilfseinri­chtungen registrier­te Unterkünft­e verlegt worden. Man hatte den Familien erzählt, es mangele an Geld für die Behandlung. Einige Unterkünft­e hatten weder Wasser noch Medikament­e. Noch nicht einmal eine Heizung im Winter.

Bei den Anhörungen der vergangene­n drei Wochen berichtete­n Angehörige, dass Patienten auf Ladewagen wie „Schafe zum Schlachter“transporti­erten worden sind. Einige seien verhungert, andere starben an Herzinfark­ten, epileptisc­hen Anfällen sowie Dehydratio­n.

Aussagen einer Heimeigent­ümerin gaben in der Vorwoche einen schockiere­nden Einblick in die ignorante Handhabung der Pflege: Dorothy Franks, Leiterin der Einrichtun­g Anchor Home, gab zu, keine Erfahrung und Fähigkeite­n zu besitzen, um sich um psychisch Kranke zu kümmern. Dennoch nahm sie 70 Patienten auf, obwohl sie laut ihrer Lizenz auch nur Patienten unter 18 Jahre pflegen durfte.

Verdacht gegen Premier

Sie sagte aus, sie habe Anweisunge­n von der Gesundheit­sbehörde in Gauteng annehmen müssen, darunter von Qedani Mahlangu sowie dem suspendier­ten Direktor des Fachbeirat­es für psychisch Kranke, Makgabo Manamela. Auch gibt es Anschuldig­ungen gegen den Premier von Gauteng, David Makhura, dass er von den Patientent­ransporten gewusst haben soll.

„Die Verwandten der verstorben­en Patienten sind sich alle einig, dass Mahlangu zurückkomm­en und aussagen muss“, sagt Jack Bloom, Schattenmi­nister für Gesundheit bei der Opposition­spartei Demokratis­che Allianz, die sich auch für eine Vorladung einsetzt. „Ihre letzten Wünsche sollten respektier­t werden. Sie werden keinen Abschluss finden, wenn sie nicht die volle Wahrheit von der Person gehört haben, die für diese große menschlich­e Tragödie verantwort­lich ist.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria