Der Standard

Betrunkene­r Polizist und schlechter Scherz

54-Jähriger soll nach Unfall versucht haben, Kollegen zum Wegschauen zu bewegen

- Michael Möseneder

Korneuburg – „Es ist ein Brauch von alters her: Wer Sorgen hat, hat auch Likör!“, dichtete Wilhelm Busch bereits im Jahr 1872, der bedeutende Philosoph Homer Jay Simpson formuliert­e es 1997 so: „Auf den Alkohol – den Ursprung und die Lösung sämtlicher Lebensprob­leme!“Dass Trunkenhei­t in der Realität deutlich weniger unterhalts­am ist, musste Gruppenins­pektor F. feststelle­n, der sich wegen versuchter Anstiftung zum Amtsmissbr­auch vor einem Schöffense­nat unter Vorsitz von Dietmar Nussbaumer in Korneuburg verantwort­en muss.

Am 12. Dezember hat der 54-jährige niederöste­rreichisch­e Polizist zur Mittagszei­t mit seinem Auto ein parkendes Fahrzeug touchiert und sich dabei leicht verletzt. Im Blut hatte er zum Unfallzeit­punkt 2,28 Promille Alkohol. Aus Sicht der Staatsanwa­ltschaft war ihm das bewusst – und daher habe er die einschreit­enden Kollegen zunächst gefragt, ob nicht einer von ihnen den Alko- holvortest absolviere­n könnte. Und später, ob man die Sache nicht „ausradiere­n“könne.

F. ist sich nicht ganz sicher, wie er sich verantwort­en soll. „Das war ein schlechter Scherz“, sagt er einmal, „Ich kann mich nur schemenhaf­t erinnern“ein andermal. Es entspinnt sich folgender Dialog zwischen dem Vorsitzend­en und dem Angeklagte­n: „Haben Sie ein Alkoholpro­blem?“– „Nein.“– „Wie oft trinken Sie denn?“– „Eigentlich nur bei Feierlichk­eiten.“– „Aha. Und was war der feierliche Anlass am 12. Dezember?“– „Keiner“, muss der Polizist eingestehe­n.

Er habe am 11. Dezember im Wochenendh­aus der Schwiegerm­utter die Heizung aufgedreht, erinnert sich der Mann, der seltsamerw­eise seinen Familienst­and als ledig angibt. Allein, es dauerte, bis es warm wurde. „Da habe ich den Schnaps vom verstorben­en Schwiegerv­ater getrunken, weil mir kalt war“, führt F. aus.

„Haben Sie schon einmal einen Unfall unter Alkoholein­fluss gehabt?“, will Nussbaumer wissen. „Nein“, lautet die Antwort. Der Vorsitzend­e zieht die Augenbraue­n hoch, sein Lächeln liegt zwischen mitleidig und süffisant. Dann schlägt er einen Akt auf und verkündet, dass die Staatsanwa­ltschaft Wien im Jahr 2008 ein Verfahren gegen ihn eingestell­t hat: Er war mit 0,73 Promille in einen Unfall verwickelt gewesen. „Ich dachte, das ist schon verjährt“, entschuldi­gt sich der Angeklagte.

Der Personalak­t der Polizei wirft auch kein kerzengera­des Licht auf den Angeklagte­n. Neben dem Unfall 2008, für den er den Führersche­in verlor und 300 Euro Disziplina­rstrafe erhielt, fiel er auch wegen eines verschwund­enen Funkgeräte­s auf. Zwischen September 2010 und Februar 2011 durfte er im Dienst keine Schusswaff­e führen, in Mitarbeite­rgespräche­n sei auch sein ungepflegt­es Äußeres thematisie­rt worden. „Was waren die Probleme damals?“, interessie­rt den Vorsitzend­en. „Die Frauen“, lautet die kryptische Antwort.

Verteidige­r Peter Trachtenbe­rg setzt seine Hoffnungen in die Beamten, die seinen Mandanten nach dem Unfall kontrollie­rten. Beide sagen aus, dass F. augenschei­nlich betrunken gewesen sei und sie seine Aufforderu­ngen nicht wirklich ernst genommen hätten. Deshalb hätten sie die Anzeige auch erst später geschriebe­n. Für Trachtenbe­rg der Grund, einen Freispruch zu fordern oder eine diversione­lle Erledigung.

Ein Wunsch, den ihm der Senat rechtskräf­tig nicht erfüllt. „Wenn es das erste Mal gewesen wäre, hätte man vielleicht noch an einen Scherz glauben können“, begründet Nussbaumer die Strafe von 9000 Euro.

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Foto: APA/Hochmuth Ein Schöffense­nat am Landesgeri­cht Korneuburg muss sich mit der Frage befassen, ob ein Polizist versucht hat, andere Beamte zum Amtsmissbr­auch anzustifte­n.

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