Paradiesische Steuerzustände
Ein Daten-Leak enthüllt zahlreiche Geschäfte über Briefkästen in diversen Steueroasen. Wilbur Ross, US-Handelsminister, soll Millionen von Kreml-nahen Firmen erhalten haben. Selbst die Queen kommt vor.
Wien – Politiker, Konzerne und zahlreiche Reiche befinden sich auf einer neuen Liste, die einem internationalen Recherchenetzwerk zugespielt wurde. Die 13,4 Millionen Dokumente stammen großteils von der Anwaltskanzlei Appleby, die auf diskrete und steuerschonende Konstruktionen für ihre Mandanten spezialisiert ist. Ihr Sitz: Bermudas. Die vom Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) in 67 Ländern vorgenommene Auswertung der „Paradise Papers“bringt heikle Finanz- und Firmengeflechte zutage. Ein Überblick:
Wilbur Ross Der US-Handelsminister soll über neun Briefkästen Geschäfte u. a. mit einer russischen Gesellschaft machen. An der ist den Berichten nach der Schwiegersohn des russischen Präsidenten Wladimir Putin maßgeblich beteiligt. Die Ross zugeordnete Firma Navigator soll mit der russischen Sibur seit 2014 rund 68 Millionen Dollar umgesetzt haben. Neben Kirill Schamalow, der mit Putins jüngster Tochter verheiratet ist, sind zwei Oligarchen an Sibur beteiligt, die von Washington mit Sanktionen belegt wurden. Pikantes Detail am Rande: Sibur wickelte die Geschäfte mit der Ross-Firma über eine Wiener Tochtergesellschaft ab, wie dem ORF bestätigt wurde.
Russisches Geld für Facebook Der russische Investor Juri Milner wurde bei seinem Einstieg in die Social-Media-Unternehmen Twitter und Facebook vor einigen Jah- ren offenbar mit Hunderten Millionen Dollar aus dem Kreml ausgestattet. Finanziert wurden die Mittel von der Staatsbank VTB und einer Gazprom-Gesellschaft. Ein Einfluss Moskaus auf Twitter und Facebook ist auch vor dem Hintergrund der US-Wahlen im Vorjahr zu sehen, auf die großer Einfluss über die Portale ausgeübt wurde. Die russischen Gesell- schaften bestreiten einen politischen Zusammenhang.
Queen Elizabeth Die britische Königin soll über das in ihrem Besitz stehende Herzogtum Lancaster ein weitverzweigtes OffshoreNetzwerk unterhalten. Über einen Fonds auf den Cayman Islands wurde in das britische Unternehmen Brighthouse investiert. Die Firma bietet Konsumgüter wie etwa Staubsauger auf Ratenzahlung zu hohen Zinssätzen an. Laut Beamten ist dem Könighaus das Invetsment nicht bewusst.
Von Nike bis Apple Auch zahlreiche Konzerne tauchen in den „Paradise Papers“auf. Der iPhoneHersteller verlangte in nun enthüllten E-Mails, dass ein Standort ausgemacht wird, in dem keine Steuern anfallen. Nike baute über die Bermudas und später die Niederlande eine Struktur auf, dank der der Sportartikelkonzern offenbar völlig legal massiv Steuern sparen konnte.
Kanadischer Premier-Berater Eine weitere Spur könnte den kanadischen Premierminister Justin Trudeau in Bedrängnis bringen: Einer seiner engsten Berater und langjähriger Freund, der Spendensammler der Liberalen Partei, wird in den Enthüllungen mehrfach genannt. Er trug mutmaßlich dazu bei, Kanada Millionen an Steuern zu entziehen. Auf Anfrage bestritt er jedes Fehlverhalten. Pikant: Trudeau sprach sich mehrmals vehement gegen Praktiken der Steuervermeidung aus.
Sportler, Künstler, Politiker In den Unterlagen tauchen mehr als 120 Staats- und Regierungschefs und Politiker aus 47 Ländern auf. Zu weiteren Kanzleikunden gehört auch eine sanktionierte iranische Bank. Auch Sportler und Prominente nutzen die Diskretion der Steueroasen. Der Frontman der Pop-Gruppe U2, Bono, soll über Firmen in Malta und Guernsey in ein Einkaufszentrum in Litauen investiert haben. Bono bestätigte den Vorgang, bestritt aber jedes Fehlverhalten. (red)